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Leben einer Anarchistin

Jacqueline Jones

Leben einer Anarchistin

dam0823bue01.jpgAm 4. Mai 1886 wurde aus einem bereits seit drei Tagen von Unruhen begleiteten Streik in Chicago ein Massaker. Ein unbekannter Täter oder eine unbekannte Täterin warf am Haymarket Square eine Bombe, die acht, nach anderen Angaben zwölf Personen tötete, in die Menschenmenge. Darauf feuerte die Polizei in die dichtgedrängt stehenden demonstrierenden Arbeiter. Vor Gericht gestellt wurden acht Männer, die den Streik organisiert hatten und als Anarchisten galten, denen indes keine Verbindung zu dem Bombenanschlag nachgewiesen werden konnte. Fünf von ihnen wurden gehängt: vier deutschstämmige radikale Arbeiterführer und der 38-jährige Herausgeber der anarchistischen Publikation „The Alarm“, Albert Parsons. Seine engste Mitstreiterin war seine Frau Lucy Parsons, die, als Sklavin vor dem Bürgerkrieg geboren, zu einer der zentralen Persönlichkeiten der amerikanischen Arbeiterbewegung wurde; eine Agitatorin, radikaler als die noch stärker an Publicity interessierte Emma Goldman.

Die Anarchokommunistin Lucy Parsons ist Gegenstand einer umfassenden, nun auf Deutsch erschienenen Biographie. Sie verfolgt die Stationen eines Lebens, das die meist elegant auftretende Frau als radikale und unerschrockene Sprecherin des linken Flügels der Arbeiterbewegung sah – eine Vita, zu der Verhaftungen und Konfrontation mit der Staatsgewalt ebenso gehörten wie ein nie ermüdender Aktivismus. Parsons organisierte Streiks und Demonstrationen, sie gehörte zu den Begründern der Industrial Workers of the World (IWW). Ihre flammende Agitation fand erst im Alter von (vermutlich) 91 Jahren ein tragisches Ende, als sie im März 1942 an den Verletzungen starb, die sie bei einem Wohnungsbrand erlitten hatte.

Aufrufe zur „Gewalt gegen Kapitalisten und Staatsvertreter“, wie ihre Biographin schreibt, sind Teil dieser Vita – noch vor dem Haymarket-Massaker hatten Lucy und ihr Mann es als akzeptable Kollateralschäden im Dienst des Klassenkampfs bezeichnet, wenn Menschen aus der Arbeiterklasse bei Anschlägen umkämen.

Die Autorin Jacqueline Jones ist Professorin für Sozial- und Ideengeschichte an der University of Texas in Austin; nach Verlagsangaben ist „ihr Spezialgebiet feministische Ökonomie sowie Geschichte der Sklaverei, Klasse und Race“. Die – sehr gelungene – Übersetzung des konsequent gegenderten Textes durch Felix Kurz wurde aus Bundesmitteln und von der Rosa- Luxemburg-Stiftung gefördert – beides, vor allem Letzteres, dürfte einiges aussagen. In der Verlagsankündigung heißt es weiter: „Ihre Biografie schlägt eine Brücke zu widerständischen politischen Bewegungen der Gegenwart.“ Angesichts der Tatsache, dass Parsons (so Jones) „unerschütterlich die Vorzüge von Sprengsätzen pries“ und „eine kalte Missachtung des menschlichen Lebens an den Tag“ legte, möchte man heutigen Protestbewegungen diese Verwandtschaft nicht wünschen.

Rezension: Dr. Dr. Ronald D. Gerste

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Jacqueline Jones
Göttin der Anarchie
Leben und Zeit von Lucy Parsons
Edition Nautilus, Hamburg 2023, 448 Seiten, € 34 ,–

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