Es ist ein Wunder, so Wieland Schwanebeck, Kulturwissenschaftler und Autor des vorliegenden Büchleins, dass das Wort „loriotesk“ nicht existiert. Recht hat er. Denn der deutsche Humorist Vicco von Bülow alias Loriot verstand es wie kein anderer, spießbürgerliche Verhaltensweisen und mangelnde Kommunikationsfähigkeit zu entlarven. Als feinsinniger Beobachter menschlicher Unzulänglichkeiten prägte er ein halbes Jahrhundert lang bis zu seinem Tod 2011 die deutsche Fernseh-, Kunst- und Kulturgeschichte. Noch heute legen Fans Badeenten an seinem Grab auf dem Berliner Waldfriedhof nieder. Viele seiner Sätze sind in den Köpfen der Deutschen verankert – oder wem entfährt an Weihnachten nie spontan: „Früher war mehr Lametta!“?
Schwanebeck skizziert Loriots Leben, wagt sich an Humoranalysen, verortet das facettenreiche Werk in der deutschen Nachkriegsgeschichte und erläutert Schwerpunktthemen des Künstlers wie den Geschlechterkrieg. Der Versuch, das Phänomen Loriot auf gerade einmal 100 Seiten zu erfassen, gelingt dem Autor auf kurzweilige und liebenswerte Art – auch weil er aus seiner eigenen Begeisterung für den Humoristen kein Geheimnis macht. Zeichnungen, Fotografien, aber auch amüsante Infographiken (Stammbaum der Familie Hoppenstedt) und ein „Kosakenzipfel“-Rezept ergänzen die Ausführungen. Wer tiefere wissenschaftliche Zugänge sucht, wird in den Lektüretipps am Ende des Buches fündig.
Rezension: Dr. Anna Joisten
Wieland Schwanebeck
Loriot
100 Seiten
Philipp Reclam jun. Verlag, Ditzingen 2023, € 10,–