Das Interesse an der Geschichte Russlands hat in jüngster Zeit vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine enorm zugenommen. Zahlreiche Neuerscheinungen kommen diesem gestiegenen Interesse entgegen. Jetzt hat auch der britische Historiker Orlando Figes einen Versuch vorgelegt, die komplexe Geschichte des größten Landes der Erde zu erzählen. In insgesamt elf Kapiteln spannt Figes einen Bogen von den Ursprüngen Russlands im ersten nachchristlichen Jahrtausend, als die russischen Ländereien von slawischen Stämmen besiedelt wurden, über das Zeitalter der Zaren und die Oktoberrevolution 1917 bis hin zu Wladimir Putins Kriegsgebaren.
Figes weist dabei immer wieder auf Kontinuitäten innerhalb der russischen Geschichte hin. Ihm zufolge scheint das Land in einer Wiederholungsschleife zu stecken. Auf jeden Fall muss man dem Historiker beipflichten, dass die heutige russische Politik nicht ohne Kenntnis der Geschichte des Landes analysiert werden kann. Figes geht den Mythen und historischen Narrativen auf den Grund, mit deren Hilfe Putin sein autoritäres Regime zu stützen versucht. So versteht man etwa, was es bedeutet, wenn Putin den Angriff auf die Ukraine rechtfertigt, indem er sich auf den Gründungsmythos der russischen Nation um die Kiewer Rus beruft. Eine lesenswerte Lektüre für alle, die sich mit den größeren Zusammenhängen in der russischen Geschichte auseinandersetzen möchten.
Rezension: Anna Joisten
Orlando Figes
Eine Geschichte Russlands
Klett-Cotta-Verlag, Stuttgart 2022, 448 Seiten, € 28,–.