Die „Hohenzollern-Debatte“, die sich um die Frage dreht, ob dem Haus Hohenzollern die 1945 von der Sowjetischen Militäradministration enteigneten Güter von der Bundesrepublik Deutschland zurückzuerstatten sind oder nicht, schlägt hohe Wellen. Gutachten wurden erstellt, Klagen eingereicht, Prozesse geführt. Im Kern geht es um die Frage, ob die Hohenzollern dem Aufstieg des Nationalsozialismus „erheblichen Vorschub geleistet“ haben, denn dann besteht laut Gesetz kein Restitutionsanspruch.
Stephan Malinowski betont in seinem auf intensivem Quellenstudium beruhenden Buch, dass diese Frage nicht nur mit Blick auf August Wilhelm von Preußen und Hermine, die zweite Ehefrau Wilhelms II. – die beide erklärte Hitler-Anhänger waren – beantwortet werden kann. Denn: Auch andere Mitglieder der Hohenzollern, vor allem Kronprinz Wilhelm, hätten sich massiv an der Zerstörung der Demokratie beteiligt und als entschiedene Gegner der Republik mit Hitler kollaboriert. Dabei setzten sie ihr symbolisches Kapital, ihr Prestige, als ehemals herrschende Elite gezielt ein.
Sehr aufschlussreich ist auch Malinowskis Analyse der Selbstdeutungen, die die Familie nach 1945 lancierte, wonach die Hohenzollern gar zu Widerstandskämpfern mutierten. Folgt man der Argumentation dieses Buchs, so bleibt von dieser Deutung nichts mehr übrig.
Rezension: Dr. Heike Talkenberger
Stephan Malinowski
Die Hohenzollern und die Nazis
Geschichte einer Kollaboration
Propyläen Verlag, Berlin 2021, 752 Seiten, € 35,–