Eine Gesamtgeschichte Venedigs ist schon des Längeren nicht mehr publiziert worden, und so ist es erfreulich, dass nun mit Arne Karstens „Kleiner Geschichte“ ein gelungener Überblick über die Geschicke der Lagunenstadt vorliegt. Besondere Stärken entwickelt die Darstellung des Kunst‧historikers immer dort, wo es um die machtbewusste Herrschaftsrepräsentation und -legitimierung Venedigs geht, wie etwa beim ersten Kabinettstück dieser Art: der „Überführung“ – genauer gesagt dem Raub – der Gebeine des heiligen Markus aus dem ägyptischen Alexandria. Venedig, das sich fortan unter dem besonderen Schutz des Evangelisten wähnte, gelang in dessen Zeichen, dem Löwen, ein rasanter Aufstieg zu einer der mächtigsten Städte im Mittelmeerraum.
Karsten erläutert auch das spezifisch venezianische Herrschaftssystem, das von der gegenseitigen Machtkontrolle der regierenden Familien lebte. Er legt aber auch die Schwächen dieses Systems bloß: das Zaudern in wichtigen Entscheidungssituationen, die fehlende Flexibilität, sich auf veränderte Rahmenbedingungen einzustellen, was schließlich zum Niedergang der Großmacht Venedig führte. Gern hätte man allerdings in dem flüssig geschriebenen Buch mehr über das Alltagsleben der normalen Venezianer gelesen.
Rezension: Dr. Heike Talkenberger