Das Forschungsinteresse an Kaiser Karl V. nimmt zu: Nachdem im letzten Jahr zuerst der deutsche Historiker Heinz Schilling in einer neuen Biographie den Habsburger als Antipoden Martin Luthers beschrieben hat (siehe DAMALS 7-2020, Seite 57), folgte danach das umfangreiche Werk des amerikanischen Historikers Geoffrey Parker. Dieser versucht eine Annäherung an den Herrscher durch eine vierfache Charakterisierung: als junger Mann, als Renaissancefürst, als Kaiser und als Gestalt der historischen Rezeption. Dazu betrachtet Parker auch Karls V. Aktivitäten in Bezug auf die „Neue Welt“.
Der Autor, der gern in Details schwelgt, erläutert historische Kontexte, porträtiert Zeitgenossen und zeichnet zentrale Entscheidungen des Kaisers nach. Er sieht Karl vor die schier unlösbare Aufgabe gestellt, sein Riesenreich vor dem Auseinanderbrechen zu bewahren und zugleich auf die Herausforderungen der Zeit – die koloniale Expansion, militärtechnische Neuerungen, die Ambitionen der Osmanen, die Reformation – zu reagieren. Da sei ein Scheitern vorprogrammiert gewesen. Parker bringt viele Quellenzitate und erzählt flüssig, was die Lektüre des Wälzers angenehm macht. Ein umfangreicher Anhang bietet weitere Informationen. Entsteht am Ende ein eher positives oder negatives Bild des so widersprüchlichen Herrschers? Um es mit Parker zu sagen: „… entscheiden Sie selbst“.
Rezension: Dr. Heike Talkenberger
Geoffrey Parker
Der Kaiser
Die vielen Gesichter Karls V
Verlag wbg Theiss, Darmstadt 2020, 879 Seiten, € 50,–