Der Name Diokletian steht für eine Zäsur in der Geschichte der römischen Kaiserzeit. Als er 284 an die Spitze des Reiches trat, befand sich das einst so stolze Imperium in einem desolaten Zustand. An den Grenzen tobten Kriege, es gab eine Inflation an konkurrierenden Kaisern, die von den Legionen ins Amt gehoben worden waren. Die Finanzen waren zerrüttet, die Moral der Bevölkerung lag am Boden.
Der neue Herrscher aus der kaiserlichen Kaderschmiede Balkan war es, der die Krise in den Griff bekam. Er stammte aus der alten Zeit und führte Rom in eine neue Ära. Diokletian gestaltete, für antike Verhältnisse ungewöhnlich genug, Zukunft, anstatt nur die Gegenwart zu verwalten. Das wichtigste Instrument war das neue Herrschaftssystem der Tetrarchie, indem nun zwei Seniorkaiser und zwei Juniorkaiser das Reich gemeinsam und damit effizienter als die bisherigen Alleinherrscher regierten. Zahlreiche weitere Reformen im politischen, administrativen und wirtschaftlichen Bereich brachten das schlingernde Staatsschiff wieder auf Kurs. Negativ trat er, wenige Jahre vor der Wende durch Konstantin den Großen, als systematischer Christenverfolger in Erscheinung. Diokletian war der zudem erste und einzige römische Kaiser, der freiwillig und nach Plan von seinem Posten zurücktrat.
Trotz seiner historischen Bedeutung sind moderne Darstellungen, die sich mit Diokletian und seiner Zeit auseinandersetzen, Mangelware. Deshalb ist es um so willkommener, dass sich mit dem Autor, bis zu seiner Emeritierung Professor für Alte Geschichte an der Freien Universität Berlin, ein exzellenter Kenner der Spätantike dieses Kaisers angenommen hat. In eher konventioneller Weise präsentiert er in 13 Kapiteln die Hauptthemen von Diokletians 20-jähriger Regierungszeit: Vorgeschichte, Erhebung zum Kaiser, Tetrarchie, Außenpolitik und Kriege, Reformen, Wirtschafts- und Militärpolitik, Christenverfolgungen, Baupolitik, Abdankung und Tod, Nachwirken. Dabei zeichnet er ein sehr sachliches, insgesamt positives Bild jenes Kaisers, dessen
Renommee durch die christliche Überlieferung stark gelitten hat.
Demandt schreibt souverän, kompetent, seriös, frei von jedem Streben, der Leserschaft unbedingt Sensationelles bieten zu müssen. Auch die Diktion ist angenehm unaufgeregt, ohne jegliche prätentiöse Ausschmückung. Das Buch ist gelehrt – nicht weniger als 132 Seiten umfasst ein wissenschaftlicher Apparat mit Anhängen, Tabellen, Karten und einer immensen Zahl von Anmerkungen – und allgemein verständlich zugleich.
Wie die meisten seiner Bücher wird auch Demandts „Diokletian“ zu einem Standardwerk avancieren. Nur eines hat der Autor nicht geliefert und auch nicht liefern können: „Eine Biographie“, wie es im Untertitel heißt. Als Persönlichkeit wirkt Diokletian schemenhaft, viele Stationen seines Lebens bleiben im Dunkeln. Was für ein Mensch war der Kaiser zwischen den Welten Krise und Neubeginn? Auf solche Fragen gibt das Buch keine Antworten, kann sie auch nicht geben. Die Quellen fließen in dieser Hinsicht einfach zu spärlich. Demandts „Diokletian“ ist daher keine wirkliche Biographie, sondern die allerdings sehr lesenswerte Darstellung einer zukunftsweisenden Phase der römischen Kaiserzeit mit einem ihrer prägenden Protagonisten im Zentrum.
Rezension: Prof. Dr. Holger Sonnabend
Alexander Demandt
Diokletian
Kaiser zweier Zeiten
Eine Biographie
Verlag C. H. Beck, München 2022, 432 Seiten, € 32,–