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Judas Iskariot – Legende und Wahrheit. Judas in den Evangelien und das Evangelium des Judas

Lona, Horacio E.

Judas Iskariot – Legende und Wahrheit. Judas in den Evangelien und das Evangelium des Judas

Im Jahr 2006 wurde medienwirksam ein neuer, in koptischer Sprache verfasster Text unter dem Titel „Evangelium des Judas“ publiziert. Dieses Ereignis gab den Anstoß zu einem Buch, das der in Benediktbeuren lehrende Neu‧testamentler Horacio E. Lona verfasst hat. Er will „Plausibilitäten“ über die Rekonstruktion des historischen Judas ausfindig machen und diese einem breiteren Publikum näherbringen. Und tatsächlich lohnt es sich auch für ein allgemein interessiertes Publikum, dieses Buch zu lesen, weil es die verschiedenen christlichen und gnostischen Judas-Bilder her-ausarbeitet (Gnosis, wörtlich „Erkenntnis“, ist eine religiöse Bewegung, deren Hauptmerkmale der Dualismus von gut und böse und das Erlösungsdenken sind). Da steht der Inbegriff des Jesus-Verräters neben dem finsteren Werkzeug des Teufels, der habgierige Dieb neben dem privilegierten Instrument für den Vollzug der Erlösung, der Erfüllungsgehilfe der Schrift neben dem an seiner Tat verzweifelnden Selbstmörder.

Die Tat des Judas führt mitten hinein in eine von messianischen Bewegungen geprägte Zeit der Unruhen in Jerusalem. Jesus war ein neuer Typus von Messias, gar nicht politisch und machtvoll, einer, der sogar den politischen Mächten unter‧legen schien. Judas könnte, so Lona, aus dem Wirken Jesu in Jerusalem die Schlussfolgerung gezogen haben, dass Jesus gar nicht der Messias sei – wie Petrus offenbar auch, der Jesus ja verleugnete. Der sich entwickelnde Konflikt wird dann, so Lona, auf dem Weg des „Verrats“ entschieden. Diese Erklärungsmöglichkeit stellt durchaus eine „Plausibilität“ dar, freilich nicht die einzige.

Im Milieu der christlichen Gnostiker, jener Gruppierung, deren Weltbild strikt dualistisch zwischen dem „guten Gott“, dem Jesus diente, und dem für alles Unheil in dieser Welt zuständigen Schöpfergott unterschied, konnte seit der Mitte des 2. Jahrhunderts ein anderes, diametral entgegengesetztes Judas-Bild entstehen. Wenn der alttestamentliche Gott gar nicht gut war, dann waren auch diejenigen, die ihm dienten, nicht gut, und die sich auflehnten, waren gar nicht böse – wie etwa Kain oder die Sodomiter oder auch Judas, der nach gnostischer Auffassung als einziger Jünger um die Wahrheit wusste.

Hier nun findet das „Judas-Evangelium“, über das Lona ausführlich schreibt, seinen Ort. Man liest Spannendes über die Entdeckung des Dokuments im Jahr 1978, seinen handschriftlichen Zustand, seine Irrfahrt, schließlich die Wiederherstellung des Textes. Bei diesem handelt es sich um eine Offenbarung durch Jesus an Judas, den „Dreizehnten“. Diese Offenbarung enthält eine scharfe Kritik an den zwölf Jüngern, an ihrem Kult, der die Menschen wie Tiere zum Opfer führe, und an der Unwürdigkeit der Priester. Nicht „Verrat“, sondern Befreiung ist dieser Lesart nach das Werk des Judas: Christus kann durch Judas in die gnostische Oberwelt aufsteigen. Der Kreuzestod bringt keine Erlösung, sondern Christus befreit sich durch ihn von „dem Menschen, der ihn trägt“.

Lona verortet den Text auch der koptischen Sprache wegen im ägyptisch-alexandrinischen Milieu mit seinen vielen bunten Gruppen, die sich gegen die „Großkirche“ absetzen wollten. Der Autor ist, was den Medienrummel angeht, gelassen – eine neue Wahrheit, von der bösen Kirche bisher unterdrückt, enthält das Judas-Evangelium jedenfalls nicht. Es schließt jedoch eine Lücke in der Erforschung der Gnosis.

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Rezension: Baltrusch, Ernst

Lona, Horacio E.
Judas Iskariot – Legende und Wahrheit. Judas in den Evangelien und das Evangelium des Judas
Herder Verlag, Freiburg/Basel/Wien 2007, 174 Seiten, Buchpreis € 16,90
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