Interessant und gut lesbar, mit Anteilnahme und Verständnis für das Schicksal einer der populärsten spanischen Königinnen, so präsentiert sich das Buch von Manuel Fernández Álvarez über Johanna die Wahnsinnige, die Mutter Kaiser Karls V. Allerdings fällt auf, daß die 45 Jahre der „Einsamkeit“, die die Königin seit 1509 in Tordesillas verbrachte, nur relativ kurz behandelt werden, obwohl sie eine bedeutende Lebensspanne der mit 75 Jahren Verstorbenen umfassen. Der Begriff der „Einsamkeit“ kann die mit der Isolierung vom Hof verbundene bedrükkende Lebenssituation Johannas charakterisieren, die der Vater über seine Tochter verhängte, nachdem diese ihren verstorbenen Gatten Philipp den Schönen zutiefst betrauert hatte.
Die exemplarischen Einblicke in Johannas Gefangenschaft können dieses Problem nicht überzeugend lösen, zumal der Autor sich dabei auf das ältere Werk von San y Ruiz de la Peña (1948) stützt. Außerdem hat er die Archivalien aus dem Kronarchiv Kastiliens in Simancas nicht in größerem Umfang ausgewertet. Statt dessen zeigt er einige handschriftliche Quellen in Abbildungen.
In der Einschätzung von Johannas Krankheitsbild ist dem Autor durchaus zuzustimmen: Er beschreibt Johannas emotionale Labilität und ihre Neigung zur Depression seit ihrer Ehe, dazu traten ihre politische Instrumentalisierung durch ihren Gatten, ihren Vater und die Comuneros und ihre völlige Vereinsamung in Tordesillas seit 1525, als man ihr Katharina, ihre jüngste Tochter, wegnahm. Sogar der Verdacht der Hexerei wurde laut, und die Empfehlung einer Teufelsaustreibung am Ende ihres Lebens verhinderte nur ihr Enkel Philipp. Sehr instruktiv und nicht so bekannt sind die doch häufigeren Besuche Karls und auch anderer Familienmitglieder, zumal der Kaiser in seinen Memoiren nur drei Besuche erwähnt. Tatsächlich waren es mindestens zwölf; besonders eindrucksvoll jener mit Gattin Isabella und den Kindern zu Weihnachten 1536 (mit Schnee!).
Rezension: Kohler, Alfred