Im April 1395 befanden sich Hans Bock und Andreas Heilmann, zwei Straßburger Bürger, auf der Rückreise von Prag in ihre Heimat. Mit ihnen unterwegs war der Adlige Heinrich von Mühlheim. Die Gruppe war noch nicht weit gekommen, als sie bei Tachau von mehreren Reitern überfallen und verschleppt wurde. Dies ist nur einer von mehreren Fällen, die Mirjam Reitmayer in ihrer Dissertation untersucht.
Die Historikerin hat bislang wenig beachtete Selbstzeugnisse – darunter Briefe, Autobiographien und Reiseberichte – von Personen aus dem christlichen Europa ausgewertet, die in der Zeit von 1200 bis 1500 bei gewaltsamen Auseinandersetzungen in Gefangenschaft gerieten. Unter den Fällen werden auch prominente Gefangene aufgeführt, so etwa Oswald von Wolkenstein. Zufällige gewaltsame Überfälle finden dabei ebenso Berücksichtigung wie militärische Gefangenschaften im Umfeld kriegerischer Auseinandersetzungen. Neben Fällen, die sich im Heiligen Römischen Reich ereigneten, werden auch solche untersucht, bei denen Verschleppungen in muslimische oder andere außerhalb Europas gelegene Gebiete stattfanden. Als Leser erhält man unmittelbare Einblicke in die Erfahrungen von spätmittelalterlichen Gefangenen.
Rezension: Anna Joisten
Mirjam Reitmayer
Entführung und Gefangenschaft
Erfahrene Unfreiheit in gewaltsamen Konflikten im Spiegel spätmittelalterlicher Selbstzeugnisse
UVK Verlag, Konstanz 2021, 490 Seiten, € 59,–