Städte verdanken ihre Entstehung einer Vielzahl von Faktoren, etwa der günstigen Topographie, der politischen Förderung oder der wirtschaftlichen Fortüne. Ihre Gestalt ist aber auch von der Idee der Idealstadt geprägt, der man sich anzunähern suchte. Verschiedene Städte standen für dieses Ideal, etwa Athen, Rom oder Jerusalem, und viel später Venedig oder Paris. Mit der Orientierung an deren Ideal wollte man zugleich an den Ursprungsmythos dieser Städte anschließen und sich damit eine gesicherte Identität verschaffen.
Der Architekturhistoriker Wolfgang Pehnt mustert in seiner gründlichen Studie „Städtebau des Erinnerns“ unterschiedliche Städte von Konstantinopel über Berlin bis Chicago durch und zeigt, wie bedeutsam für sie die historische Anleihe an Idealstädten ist. Auch wenn es nicht um ein einfaches Kopieren von Bauelementen ging, so wurde doch das Vorbild erkennbar. Berlin etwa als Hauptstadt eines ambitionierten Preußen orientierte sich an Rom: Das Stadtschloss imitiert in seiner Fassade antike römische Architektur und die Hedwigs-Kathedrale das Pantheon. Baumeister Gottfried Semper wiederum hatte für die Wasserstadt Hamburg das Vorbild Venedig im Sinn, als er nach dem großen Brand von 1842 den Rathausplatz zu einem neuen Markusplatz mit Viktorien-Säulen umgestalten wollte. Das Buch lässt den Leser anders auf bekannte Städte blicken, allerdings hätte der anspruchsvolle Text deutlich bessere Abbildungen verdient.
Rezension: Dr. Heike Talkenberger
Wolfgang Pehnt
Städtebau des Erinnerns
Mythen und Zitate westlicher Städte
Hatje Cantz Verlag, Berlin 2021, 240 Seiten, € 44,–