Die Jagd war Freizeitbeschäftigung des Adels – diese Sichtweise prägte bis in die 1990er Jahre die historische Forschung, was nicht nur zu einer Fokussierung auf die adligen Prunkjagden der Vormoderne führte, sondern auch ein regelrechtes Desinteresse an diesem Thema mit sich brachte. Lediglich die Wilderer fanden ein wenig Beachtung, konnten sie doch als soziale Gegenspieler des Adels von vor allem sozialkritischen Historikern inszeniert werden. Das 19. Jahrhundert aber blieb unbeachtet. Der Gesellschafts- und Militärhistoriker Carl Alexander Krethlow hat daher in Kooperation mit elf weiteren Autoren den Sammelband „Hofjagd, Weidwerk, Wilderei. Kulturgeschichte der Jagd im 19. Jahrhundert“ herausgegeben, der dem interessierten Leser einen sehr fundierten und detailreichen Einblick in die Jagd des langen 19. Jahrhunderts bietet.
Die einzelnen Artikel wollen nicht nur unterhalten, sondern zeigen auf geschichtswissenschaftlicher Grundlage die Entwicklungen der modernen Jagd auf. Zahlreiche Schwarz-Weiß-Bilder tragen zur Illustrierung der Themen bei, büßen aber einen Teil ihrer Anschaulichkeit durch den fehlenden Farbdruck ein. Chronologisch führen die Texte den Leser zunächst durch das späte 18. Jahrhundert mit seinen sehr ausdifferenzierten Jagdformen, wie der Beiz- oder der Parforcejagd, hin zur Umbruchsphase nach der Märzrevolution 1848 und schließlich bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges 1914. In einem zweiten Teil werden zudem gesonderte Themenbereiche behandelt, unter anderem die Rolle der Frau bei der Jagd, das Phänomen der Wilderer oder auch, wie die Jagd immer mehr zur Wissenschaft wurde.
Dabei greifen die Autoren einige Entwicklungslinien regelmäßig wieder auf, etwa die zunehmenden Einflüsse des Bürgertums und der Wissenschaft auf die Jagd, und verknüpfen auf diese Weise die einzelnen Artikel untereinander, was nicht nur zum Lesen einzelner Aspekte, sondern zur Gesamtlektüre des Sammelbandes anregt.
Rezension: Marvin Gedigk