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Hintergründe des Rathenau-Mords

Martin Sabrow

Hintergründe des Rathenau-Mords

dam0922bue02.jpgBis 1923 fielen in der Weimarer Republik mehr als 350 Personen politischen Attentaten zum Opfer. In übergroßer Mehrzahl gingen die Morde auf das Konto völkischer und rechtsradikaler Organisationen. Darunter ist die „Organisation Consul“ unter der Führung des ehemaligen Marinekapitäns Hermann Ehrhardt wohl die bekannteste; ihr fielen der ehemalige Finanzminister Matthias Erzberger und der Außenminister Walther Rathenau zum Opfer. Philipp Scheidemann, der vor Verabschiedung der Weimarer Verfassung als Reichsministerpräsident die Regierung geleitet hatte, überlebte 1922 einen Anschlag nur knapp.

Martin Sabrow hat bereits in den 1990er Jahren die Hintergründe der Attentate auf Rathenau, Scheidemann und Erzberger erforscht. Das jetzt erschienene Buch ist eine bearbeitete Neuausgabe seines Buches von 1999. Die Taten werden minutiös anhand von Justizakten und einer Vielzahl anderer Quellen rekonstruiert. Die Attentäter und ihre Helfer werden plastisch dargestellt, die Hintergründe plausibel erläutert. Auch wird ein Attentat auf den Publizisten Maximilian Harden im Jahr 1922 abgehandelt, das aber mit den Politiker-Morden nicht in Verbindung stand, um gleichsam zu zeigen, dass die Attentate auf die prominenten Politiker einem strategischen Ziel Ehrhardts dienen sollten. Denn tatsächlich hoffte er, eine bürgerkriegsähnliche Situation zu provozieren, bei der seine paramilitärische Organisation dann als Ordnungsmacht hätte auftreten können, um letztlich das bestehende System zugunsten einer autoritären, rechten Regierungsform aufzulösen. Freilich ist dieser Wunsch in streng monarchistischen wie auch völkischen und rechtsradikalen Kreisen weit verbreitet gewesen, wie der „Kapp-Lüttwitz-Putsch“ 1920 oder später der „Hitler-Putsch“ 1923 illustrieren.

Da auch von links an der Weimarer Republik kräftig gerüttelt wurde, wie etwa beim Mitteldeutschen Aufstand („Märzaktion“) 1921, offenbaren sich die existentiellen Gefahren, denen sich die junge Republik ausgesetzt sah. Vielleicht erklärt auch das, warum die Justiz mit „rechten“ Attentätern milde umging – neben den Seilschaften, die noch aus dem Kaiserreich bis tief in Justiz, Verwaltung und Militär hineinragten. So war die „Organisation Consul“ vielfältig mit der Reichswehr verstrickt. Diese Verbindungen, so Sabrow, veranlassten die Justiz dann wohl auch, die Hintergründe der Attentate möglichst im Dunkeln zu lassen. Die Täter und ihre unmittelbaren Helfer zu ergreifen und dann eher milde abzuurteilen schien auch aus Regierungssicht der Gerechtigkeit gerade ausreichend Genüge zu tun, ohne die fragile Republik zusätzlich zu belasten. Erst die massenwirksame NSDAP konnte mit Hilfe der elitären Republik-Skeptiker unter den besonderen Bedingungen der frühen 1930er Jahre das System stürzen.

Mit der stärkste Teil des Buches ist das neuverfasste Nachwort, welches nochmals Ehrhardt und seine letztlich elitären Putschgedanken betrachtet. Hier zieht Sabrow auch eine lange Linie, indem er den Rechtsterrorismus von Weimar mit dem der Gegenwart vergleicht. Ähneln sich die ideologischen Positionen auch, so ist es vor allem die Stabilität der bundesrepublikanischen Gesellschaft und das am Ende dann doch relativ gut funktionierende Rechtssystem, welches der Gefahr wesentlich mehr entgegensetzen kann, als es die Weimarer Republik in den frühen 1920er Jahren vermochte.

Rezension: Prof. Dr. Jens Jäger

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Martin Sabrow
Der Rathenaumord und die deutsche Gegenrevolution
Wallstein Verlag, Göttingen 2022, 334 Seiten, € 30,–

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