Der 1860 im ungarischen Pest geborene Schriftsteller und Journalist Theodor Herzl gilt als Begründer des politischen Zionismus. Seine Ideen einer jüdischen Nation und der Notwendigkeit einer Staatsgründung entwickelte Herzl in seiner Hauptschrift „Der Judenstaat“ von 1896.
Derek Penslar, Professor für Jüdische Geschichte an der Harvard Universität, hat sich in seiner Biographie Theodor Herzls mit der Frage befasst, wie „aus diesem Kosmopoliten und assimilierten europäischen Juden der Anführer der zionistischen Bewegung“ werden konnte. Er schildert die wesentlichen Etappen von Herzls kurzem Leben – er wurde nur 46 Jahre alt – und beschreibt dessen Weg vom ehrgeizigen Gymnasiasten zum umjubelten politischen Führer. Penslar betont Herzls Charisma, das Ursache seiner überwältigenden Wirkung auf seine Anhängerschaft gewesen sei. Vor allem aber ergründet der Autor unter anderem anhand privater Schriften Herzls Persönlichkeit. Dieser habe zeit seines Lebens zwischen Depression und Manie geschwankt. Das zionistische Projekt habe Herzl gebraucht, um seine Phasen der Verzweiflung zu bewältigen. Zugleich aber habe er in manischen Phasen im Überschwang der Gefühle seine Zuhörer mitzureißen verstanden. Und die Anhänger? Für sie war er, das zeigt Penslar, eine Projektionsfläche eigener Sehnsüchte und Bedürfnisse. Penslars Thesen sind diskutabel, aber anregend. Sein Buch hätte jedenfalls eine bessere Übersetzung verdient gehabt. So mag Herzls Charisma elektrisierend gewirkt haben – „elektrifizierend“ war es sicher nicht.
Rezension: Dr. Heike Talkenberger
Derek Penslar
Theodor Herzl
Staatsmann ohne Staat. Eine Biographie
Wallstein Verlag, Göttingen 2022, 255 Seiten, € 24,–