Eine athenische Ehefrau, von der es eine biographische Überlieferung gäbe, hätte einen schlechten Ruf gehabt. Obwohl die früher verbreitete Ansicht, die Bürgerinnen seien im Haus beinahe eingesperrt gewesen, sicher falsch ist, gehörten Sichtbarkeit und ein persönliches Profil nicht zu den von ihnen erwarteten Eigenschaften. Hingegen existiert über prominente, fast durchweg nicht aus Athen stammende Hetären eine reiche anekdotische Tradition. Aspasia, die lange mit Perikles zusammenlebte, wird in den Quellen mal als dessen Ehefrau, mal als seine Konkubine, polemisch auch als Hetäre bezeichnet.
Elke Hartmann unternimmt in ihrer nicht überladenen und gut lesbaren Dissertation den Versuch, die drei Beziehungsformen zwischen Frau und Mann genauer zu bestimmen. Vor dem Leser entfaltet sie ein Panorama komplexer Verhältnisse, die von den Bedürfnissen der Männer, den Forderungen der Polisgemeinschaft und dem Bestreben, einen tadellosen Ruf zu bewahren, geprägt waren. Letzteres war in der Demokratie mit ihrer starken sozialen Kontrolle Voraussetzung für ein gutes Leben. Wie in den meisten vormodernen Gesellschaften war auch hier das „Private“ eminent politisch. Im Zentrum der normierten bürgerlichen Existenz stand die Ehe mit einer echtbürtigen Athenerin zur Zeugung von Bürgerkindern. Die anderen Formen, zumal Beziehungen zu Hetären als Statussymbol in jüngeren Jahren, wurden geduldet, solange man die Hauptpflicht nicht aus den Augen verlor. Hatte sie der Athener erfüllt und war dabei gar verwitwet, wurde auch die nichteheliche Partnerschaft mit einer Konkubine geduldet.
Rezension: Walter, Uwe