Bürgersinn, soziale Verantwortung, christliche Überzeugung – mit diesem Dreiklang charakterisiert Thomas Flemming den Protagonisten seiner Biographie Gustav Heinemann. Als erster sozialdemokratischer Bundespräsident von 1969 bis 1974 setzte Heinemann deutliche Zeichen hin zu mehr Demokratie und Toleranz in der bundesrepublikanischen Gesellschaft.
Im Jahr 1899 als Sohn eines Prokuristen der Firma Krupp geboren, blieb Heinemann der Stadt Essen eng verbunden und war deren Oberbürgermeister von 1946 bis 1949. Der Rechtsanwalt fand sein berufliches Standbein zuerst als Justitiar der Rheinischen Stahlwerke, bevor er unter Adenauer Innenminister und in der Großen Koalition Justizminister wurde.
Dass Heinemann allerdings eine führende Rolle in der evangelischen Kirche einnehmen würde, war bei seiner Sozialisation keineswegs vorgezeichnet, war doch der Vater ausgesprochen kirchenfern. Beeinflusst von seiner Frau Hilda, näherte sich Heinemann jedoch in der Zeit des Nationalsozialismus der Bekennenden Kirche an und entwickelte sich im Nachkriegsdeutschland geradezu zum Prototyp eines christlich geprägten Politikers.
Thomas Flemming beschreibt den Lebensweg dieses geistig unabhängigen, oft als unbequem empfundenen Ausnahmepolitikers, an den man sich gerade heute, in einer Zeit des geistigen Mainstream, auch in der Politik, wieder erinnern sollte.
Rezension: Dr. Heike Talkenberger