Vor 400 Jahren wurde Friedrich Wilhelm von Brandenburg geboren. Er gilt als der Begründer des Aufstiegs Brandenburg-Preußens und ging als „Großer Kurfürst“ in die Geschichte ein. Aber wie bedeutend war der Herrscher tatsächlich?
Der Historiker Jürgen Luh hat sich zum Anlass von Friedrich Wilhelms Geburtstag den Quellen erneut gewidmet und in einer Biographie das Leben des Kurfürsten – so der Untertitel der Studie – „neu betrachtet“. Was ist neu an seiner Betrachtung? Andere Historiker haben die heroische Darstellung des Kurfürsten in der älteren Geschichtsschreibung bereits relativiert. Luhs Urteil fällt im Vergleich dazu aber deutlich schärfer aus. Er zeichnet das Bild eines unsteten Regenten, der keine klare politische Strategie entwickelte, häufig seine Bündnisse wechselte und sich selbst maßlos überschätzte. Den militärischen Erfolg des Kurfürsten gegen die schwedischen Truppen bei Fehrbellin im Jahr 1675 relativiert der Autor mit der schwachen Ausgangsposition der Schweden. Den Beinamen „der Große“ hätte sich Friedrich Wilhelm in diesem Kontext selbst zuschreiben lassen.
Luh ist in der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg für Wissenschaft und Forschung zuständig und gilt als ausgewiesener Kenner der Materie. Man mag ihm nicht in jeder Interpretation folgen, dennoch bietet er eine neue Lesart des Aufstiegs Brandenburg-Preußens und seines (vermeintlichen) Begründers.
Rezension: Anna Joisten
Jürgen Luh
Der Große Kurfürst
Sein Leben neu betrachtet
Siedler Verlag, München 2020, 336 Seiten, € 25,–