Globalgeschichte hat viel mit Verbindungen zu tun, Verbindungen, auf denen der Warenverkehr zwischen entfernten Räumen stattfand, und Verbindungen, die das Gespräch zwischen den Kulturen ermöglichten. Das ist nicht alles, was Globalgeschichte leistet. Schließlich geht es ihr um das, was sich aus den Kontakten ergab, wie also Globalität gestaltet, erlebt und gedeutet wurde. Aber die Verkehrswege und Handelsstraßen stellen nun einmal die Infrastruktur dar, auf deren Grundlage Menschen miteinander in Verbindung treten und sowohl Waren als auch Ideen ausgetauscht werden können.
Es war daher ein naheliegender Gedanke, einen Überblick über frühe Netzwerke zu erstellen, um das Ausmaß der globalen Verflechtung schon in vormoderner Zeit sichtbar werden zu lassen. Elf Autoren haben sich daran beteiligt. Der eurasiatisch-nordafrikanische Raum wird fast flächendeckend erfasst, von der Neuen Welt immerhin der mittlere Teil. Dem behandelten Jahrtausend (dem „Mittelalter“) wird gemeinhin kein Übermaß an Mobilität und Verflechtung zugetraut. Doch das Ergebnis ist überzeugend: Gut erforscht und allgemein bekannt ist, welchen überragenden Anteil die „Seidenstraße(n)“ am transkontinentalen Warenverkehr hatte(n), vor allem, was die Wege von China nach Zentralasien betrifft. Das Reich der Mitte war fast immer das „Powerhouse“ der eurasiatischen Ökonomie.
Die islamischen Länder nahmen eher Zwischenhandelsfunktionen wahr, erlebten aber rund um die Zentren Buchara und Samarkand im 9. und 10. Jahrhundert ein goldenes Zeitalter, in dem sich materieller Reichtum mit kulturellen Spitzenleistungen verband.
An ihren Ausläufern ging(en) die „Seidenstraße(n)“ in regionale Handelsnetze über. Karakorum und Himalaja stellten kein Hindernis für den Verkehr mit Indien dar. Über die Wolga und ihre Nebenflüsse wurde der europäische Nordosten, über die Donau Mitteleuropa erreicht. Die italienischen Seestädte dominierten den Mittelmeerhandel und kamen auf den Champagne-Messen mit den Zentren der Textilproduktion in Flandern und Brabant in geschäftliche Verbindung.
Islamische Händler drangen bis zu den goldreichen Ländern im transsaharischen Raum vor. Auf den Märkten wurden Luxuswaren, Alltagswaren und Menschen (Sklaven) erworben und Kenntnisse vermittelt. Technische und sprachliche Fertigkeiten breiteten sich entlang den Verkehrswegen aus (die Papierherstellung bis nach Europa, Persisch als Lingua franca bis nach China), aber auch Krankheiten wie die Pest und die Pocken. Und den Kaufleuten folgten die Geistlichen: Der Buddhismus drang bis nach Ostasien, das nestorianische Christentum bis nach China, der Islam bis nach Zentralasien, Indien und zum Malaiischen Archipel vor. Die Idee der europäischen Universität soll in Zentralasien erdacht worden sein; die Maultasche habe von China aus ihren Weg in den Westen gefunden. Über beides kann man streiten. Manchmal ist eigenständige Entwicklung, was wie Kulturaustausch aussieht. Doch unstreitig ist: Auch die vormoderne Welt war eine Welt in Bewegung. Davon vermittelt das Buch einen ebenso detailreichen wie lebendigen Eindruck.
Rezension: Prof. Dr. Folker Reichert
Philipp A. Sutner (Hrsg.)
Landhandelsrouten
Adern des Waren- und Ideenaustauschs 500 v. – 1500 n. Chr.
Mandelbaum Verlag, Wien 2023, 272 Seiten, € 23,–