1952 konnten in der Bundesrepublik mehr Menschen Kühe melken als Auto fahren. Der Kontakt mit Tieren war allgegenwärtig, das Fleisch knapp. Heute ist es genau andersherum: Im Schaubauernhof des örtlichen Zoos sind wir entzückt über den Anblick einer Kuh. Fleisch dagegen ist im Überfluss vorhanden. Wie kam es dazu? Die Historikerin Veronika Settele spürt dieser Frage nach. Sie zeigt, wie sich der Umgang mit Tieren in den vergangenen 150 Jahren veränderte und wie wir zu dem kamen, was als Massentierhaltung bezeichnet wird.
Als Leser erhält man überraschende und unterhaltsame Einblicke. So bevölkerten am Ende des 19. Jahrhunderts Schweine nicht nur idyllische Bauernhöfe, sondern machten auch die Straßen Berlins, Londons und Manhattans unsicher. Fotografien zeigen, wie Menschen in deutschen Großstädten nach dem Ersten Weltkrieg Schweine, Lämmer oder Hühner hielten. Was sich nach 1945 in der Tierhaltung veränderte und einer „Revolution im Stall“ gleichkam, macht die Historikerin an Kühen, Hühnern und Schweinen anschaulich: der zunehmende Eingriff in den Körper der Tiere, neue Kostenrechnungen, neue Techniken der Unterbringung und Versorgung. Nicht zuletzt widmet sie sich auch der Kritik an diesen Entwicklungen, die in den letzten Jahrzehnten aufkam. Ein lesenswertes Buch über ein wichtiges Thema.
Rezension: Anna Joisten
Veronika Settele
Deutsche Fleischarbeit
Geschichte der Massentierhaltung von den Anfängen bis heute
Verlag C. H. Beck, München 2022, 240 Seiten, € 18,–