Der größte Teil Germaniens blieb, dank der denkwürdigen Niederlage des Varus in der Schlacht im Teutoburger Wald im Jahr 9 n. Chr., frei von direkter römischer Herrschaft. Doch gegen Ende des 1. Jahrhunderts entstanden gleich zwei Provinzen, die den Namen Germania trugen: Germania Inferior (Niedergermanien) mit der Hauptstadt Köln und Germania Superior (Obergermanien) mit der Hauptstadt Mainz. Sie gehörten zu den letzten Provinzen, die in das Römische Reich integriert wurden, als Folge einer strategischen Neuausrichtung der römischen Militärpolitik unter den flavischen Kaisern Vespasian und Domitian.
Die Germania Superior erstreckte sich geographisch von der Wetterau bis zu den Alpen, von der Schwäbischen Alb bis zu den Ardennen. Mit einem Territorium von etwa 93 500 Quadratkilometern zählte sie vom Umfang her zu den kleineren, aufgrund ihrer Lage an der Peripherie des Imperiums jedoch zu den wichtigsten Provinzen im Römischen Reich.
Was Margot Klee mit ihrem neuesten Werk zur Geschichte der Provinz Germania Superior vorgelegt hat, ist mehr als nur eine weitere Publikation auf dem reichgedeckten Büchertisch mit Darstellungen zur römischen Provinzialgeschichte. Zunächst aber bietet sie alles, was man an Fakten und Deutungen erwarten darf.
Drei große Kapitel informieren über die Zeit vor der römischen Okkupation, über die Verhältnisse während der römischen Herrschaft und über die lange Phase der Auflösung, die mit dem Fall des Limes im 3. Jahrhundert eingeleitet und durch die Kriege und Völkerwanderungen des 4. und 5. Jahrhunderts vollendet wurde. Gerade das zweite Kapitel präsentiert, auf dem neuesten Stand der Forschung, das sowohl von römischen als auch von indigenen Einflüssen bestimmte Leben in der Provinz in allen relevanten Facetten, optisch garniert mit ausgezeichnetem Bildmaterial.
Hinter allem aber steht, ohne dass dieser Aspekt eigens thematisiert wird, die geradezu idealtypische Leitfrage, wie unter den gegebenen naturräumlichen, politischen und kulturellen Gegebenheiten in einer Region fern der mediterranen Gefilde römische Herrschaft organisiert bzw. etabliert werden konnte. Indem es einen wichtigen Beitrag zum großen – im Zusammenhang mit der römischen Expansionspolitik stets ak‧tuellen – Gesamtkomplex von Herrschaft, Unterwerfung und Anpassung liefert, ist das Buch „Germania Superior“ von Margot Klee weitaus mehr als bloß eine historische Regionalstudie.
Rezension: Prof. Dr. Holger Sonnabend