Georg Arbogast von und zu Franckenstein (1825–1890) gehört zu den bedeutendsten Parlamentariern der Bismarckzeit: Lange Jahre war der Bayer Fraktionsvorsitzender der katholischen Zentrumspartei im Reichstag. Diesem Politiker hat nun der Historiker Karl Otmar Freiherr von Aretin, ein Urenkel Franckensteins, eine Biographie gewidmet. Man kann dieses Buch wohl auch als Nichtkatholik lesen, wird sich aber doch stellenweise arg befremdet fühlen: In seinem Buch ergreift Aretin oft wie selbstverständlich für den politischen Katholizismus Partei, etwa wenn eine (ausgebliebene) Wahlkreisneueinteilung in Bayern, die eine katholische statt einer liberalen Mehrheit ermöglicht hätte, umstandslos als “gerecht” beschrieben wird. Auch sonst ist Aretins Werk nicht von großer Distanz zu seinem Objekt geprägt – leider ist Quellennähe nicht automatisch ein Vorzug. Vielleicht ist das unvermeidlich, wenn man über den eigenen Urgroßvater schreibt. Dennoch wäre es sicher möglich gewesen, den Kulturkampf, der im Buch naturgemäß breiten Raum einnimmt, in einer Weise zu schildern, die nicht den Eindruck erweckt, als würde man die politischen Schlachten des Kaiserreiches am liebsten noch einmal schlagen. Das Verdienst Aretins besteht darin, eine politische Zentralfigur des Kaiserreiches aus dem Schatten der wesentlich bekannteren Figur Ludwig Windhorsts ans Licht geholt und wesentliche Teile seines Nachlasses indirekt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu haben. Erschwert wird die Lektüre jedoch dadurch, daß Aretin eine fundierte Kenntnis der Parlamentsgeschichte des Kaiserreiches umstandslos voraussetzt. Wer etwa noch nie von den “diskretionären Gesetzen” gehört hat, dürfte über weite Strecken Schwierigkeiten haben, der Darstellung zu folgen. Fazit: ein Buch für Spezialisten.
Rezension: Walter, Dierk