Am Ende des Zweiten Weltkriegs flüchteten zahlreiche Litauer, Letten und Esten vor der anrückenden Roten Armee in Richtung Westen. Nach der deutschen Kapitulation richteten die Westmächte in den Besatzungszonen eigene Lager für diese sogenannten Displaced Persons ein. Auch in Kempten entstand ein solches Lager. Einer der Emigranten, die dort lebten, war der litauische Fotograf Kazys Daugėla. Ihm ist es zu verdanken, dass wir heute vielfältige Einblicke in den Alltag der Menschen, die dort untergebracht waren, haben. Seine Fotografien zeugen zum einen von den schwierigen Bedingungen im Lager: von der Enge, dem Mangel an Lebensmitteln, der Kälte. Zugleich zeugen sie davon, wie die Menschen trotz der widrigen Umstände und Entbehrungen ein reges kulturelles, soziales und religiöses Leben gestalteten.
Der Historiker Wolfgang Petz hat den Nachlass des Fotografen, den die Familie von Kazys Daugėla in Vilnius aufbewahrt, unter die Lupe genommen und die Fotografien nun veröffentlicht. Ein mit zahlreichen Abbildungen versehener Beitrag bietet vorab eine Einführung in die Geschichte des Lagers in Kempten. Das Buch enthält darüber hinaus auch Kazys Daugėlas persönliche Aufzeichnungen über Kempten und eine biographische Skizze über den Fotografen, die dessen Neffe Antanas Skaisgiris verfasst hat.
Rezension: Dr. Anna Joisten
Wolfgang Petz
Zuflucht auf Zeit
Lageralltag in Kempten 1945 bis 1949 aus der Sicht des litauischen Fotografen Kazys Daugėla
Likias Verlag, Friedberg 2023, 128 Seiten, € 24,–