Längst überfällig war eine Biographie Ferdinands I., des Begründers der habsburgischen Donaumonarchie und “Vaters” des Religionsfriedens von 1555. Nachdem der Wiener Historiker Alfred Kohler bereits über Kaiser Karl V. eine viel beachtete Biographie verfaßt hat, erscheint anläßlich der 500. Wiederkehr der Geburt von dessen jüngerem Bruder nun dieses Werk. Keinesfalls als Ergänzung zu verstehen, erbringt es die notwendige Würdigung eines Herrschers, der es uneingeschränkt verdient hat, aus dem Schatten des Familienoberhauptes zu treten. Die Biographie gliedert sich in Einleitung, elf Kapitel, einen Anmerkungsapparat, ein Quellen- und Literaturverzeichnis, zwei Karten und ein Personen- und Ortsregister. Personenbezogene Texte wechseln sich ab mit Abschnitten, die sich mit der Geschichte der Erbländer, der Auseinandersetzung mit den Protestanten und den Osmanen, mit der Rolle als römischer König und später als Kaiser, mit der Nachfolgefrage, mit Ferdinands Tod und Nachleben befassen. Es ist Kohler gelungen, den Anteil dieses Fürsten an der habsburgischen Politik und seine europäische Bedeutung gut lesbar nachzuzeichnen. Völlig zu Recht betont der Biograph zudem, daß Ferdinand für Zeitgenossen und Nachwelt menschlicher erschien als sein Bruder und begabter war als der Ältere.
Gewünscht hätte man sich Interpretationshilfen bei Bildern wie dem zur “Verleihung der Lehen an Erzherzog Ferdinand, 1530”, da es sich nicht einfach von selbst erschließt. Nur begrenzt hilfreich kann schließlich eine Karte zu Österreich sein, wenn der Leser auf ihr vergeblich Orte wie Linz sucht oder zur geografischen Verortung der Vorgänge von 1552 Passau und Villach nicht findet. Unbeschadet dieser Anmerkungen ist diese Biographie sehr zu empfehlen.
Rezension: Wohlfeil, Rainer