Während noch vor einiger Zeit Demokratie, Freiheit und Menschenrechte fest in der politischen, sozialen und intellektuellen Kultur des Westens verankert zu sein schienen, sind in den letzten Jahren ganz andere Tendenzen zu beobachten. Man muss nicht den Sturm auf das Kapitol bemühen, um nicht nur in den USA auf eine wiedererstarkte Sehnsucht nach dem Autoritären und auf antidemokratisches Verhalten zu stoßen.
Der Schriftsteller Karl-Heinz Ott mustert in einer Zusammenstellung kurzer Essays reaktionäres Gedankengut der Neuzeit durch und versammelt es zu einer Art „intellektueller Gegenaufklärung“. So stellt er etwa den 1899 geborenen Philosophen Leo Strauss vor, der den modernen Fortschritts- und Freiheitsgedanken als Übel brandmarkt und feststellt, dass nur durch die Beschneidung der Freiheit des Einzelnen die moderne Haltlosigkeit überwunden werden könne. Mit diesem antidemokratischen Grundgedanken entwickelte sich Strauss zum Nestor der amerikanischen Rechten, deren Netzwerke bis ins Pentagon und ins Weiße Haus reichten. So kann man aus Otts Ausführungen manch Wichtiges lernen, eine systematische „Geschichte“ bietet sein Buch allerdings nicht.
Rezension: Dr. Heike Talkenberger
Karl-Heinz Ott
Verfluchte Neuzeit
Eine Geschichte des reaktionären Denkens
Hanser Verlag, München 2022, 430 Seiten, € 26,–