„Warum haben wir so lange den Freiheitskampf der Ukraine nicht verstanden?“, so die Frage auf dem Umschlag des Buches von Steffen Dobbert. Die Antwort darauf ist naheliegend: Weil die meisten Menschen zu wenig über die Vergangenheit des Landes wissen. In Deutschland war die Geschichte Osteuropas lange ein eher stiefmütterlich behandeltes Feld, das vor allem in der Öffentlichkeit wenig Beachtung fand. Mit dem Krieg in der Ukraine änderte sich dies schlagartig.
Dobbert möchte Verständnis für den Freiheitskampf des ukrainischen Volkes schaffen, indem er dessen Geschichte und die Entwicklung des ukrainischen Nationalbewusstseins beleuchtet. Der Journalist spannt den Bogen dabei vom Mittelalter bis in die Gegenwart, wobei der Schwerpunkt auf dem 20. Jahrhundert und der Gegenwart liegt. Rund die Hälfte der Darstellung bezieht sich auf die Zeit nach 1991. Ein ganzes Kapitel porträtiert Wolodymyr Selenskyj. Ein weiteres befasst sich mit der Wirkweise russischer Propaganda. Das Buch macht deutlich, dass die Geschichte des Landes ein endloses Ringen um Selbstbehauptung ist. Es bietet einen kompakten, gut lesbaren Einstieg für diejenigen, die sich an den aktuellen Debatten um die Ukraine beteiligen möchten. Wer allerdings tiefere Einblicke in mittelalterliche und frühneuzeitliche Entwicklungen sucht, wird auf andere Literatur zurückgreifen müssen.
Rezension: Anna Joisten
Steffen Dobbert
Ukraine verstehen
Geschichte, Politik und Freiheitskampf
Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2022, € 12,–