Hier wird man nur in Gemeinschaft eingeäschert und keinerlei Denkstein erinnert an die Existenz der Guten und Bösen, der Bedeutenden und Unbedeutenden. Man wird buchstäblich ausgelöscht“.
Dies schrieb die Künstlerin Else Argutinsky-Dolgorukow während ihrer Zeit im Konzentrationslager Theresienstadt in ihr Tagebuch. Die Angst der Inhaftierten nicht nur vor der physischen Vernichtung, sondern auch der Tilgung jeder Erinnerung an das eigene Leben, die aus diesen Sätzen spricht, bewahrheitete sich nach dem Krieg tatsächlich oft: Unbekannte wie bekannte Opfer des Nationalsozialismus gerieten zunächst in Vergessenheit. Für viele der nach Theresienstadt deportierten Künstlerinnen gilt dies bis heute. Dem möchte die Kunsthistorikerin Ilka Wonschik entgegenwirken: In ihrem Buch stellt die Autorin zwölf jüdische Künstlerinnen vor, die in Theresienstadt interniert waren und die sie aus insgesamt über 40 Schicksalen auswählte.
Zunächst informiert die Autorin in drei einleitende Kapitel knapp über Künstlerinnen und speziell jüdische Kunst in der Moderne sowie über das Sammel- und Durchgangslager Theresienstadt und die Rolle, die der Kunst dort zukam. In dem propagandistisch genutzten „Vorzeigeghetto“ war nämlich trotz grauenvoller Zustände und täglicher Bedrohung durch Hunger, Krankheit und Transporte in den Osten Formen kulturellen Lebens möglich. Neben offiziellen „künstlerischen“ Tätigkeiten im Auftrag der Nationalsozialisten gelang es einigen Inhaftierten, heimlich Zeichnungen und Bilder anzufertigen.
Im Anschluss werden die Biografien der Künstlerinnen vorgestellt. Deren Leben lassen sich dabei keineswegs nur auf die Hafterlebnisse reduzieren. So thematisiert Wonschik beispielsweise auch den Werdegang und das Schaffen von Künstlerinnen wie Juli Wolfthorn, der es gelang, sich in der männerdominierten Kunstwelt um die Jahrhundertwende durchzusetzen. Dennoch: Für viele der Frauen bedeutete Theresienstadt den Tod, so auch für Wolfthorn, die dort 1944 mit 80 Jahren verstarb. Die Überlebenden waren Zeit ihres Lebens von der traumatischen Hafterfahrung geprägt, wie etwa Helga Weissová-Hošková, die mit 13 Jahren nach Theresienstadt deportiert wurde und dort zu malen begann.
Der Autorin gelingt es, diese vielfältigen Schicksale in kurzen Kapiteln zu fassen und eindringliche Porträts der zwölf Frauen zu zeichnen. Die recht konventionell aufgebauten Kurzbiografien werden dabei durch längere Zitate aus Briefen, Tagebüchern und anderen Dokumenten aufgelockert. Einige in Interviewform abgedruckte Gespräche mit Überlebenden und Angehörigen sorgen zudem für interessante Perspektivenwechsel. Durch den Bezug auf den informativen Einführungsteil werden auch größere Zusammenhänge deutlich. Fotografien und Abbildungen von Kunstwerken der Frauen illustrieren den schmalen Band zudem eindrucksvoll: Vor allem die in Theresienstadt selbst angefertigten Bilder geben dabei faszinierende Einblicke in das Alltagsleben im Lager und wie die Künstlerinnen dieses wahrnahmen. Nicht nur kunstgeschichtlich interessierten Lesern bietet dieses Buch daher insgesamt einen guten Einblick in die Schicksale jüdischer Künstlerinnen im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert, die einen Platz im öffentlichen Gedächtnis verdient haben.
Rezension: Liza Soutschek