An einem Torbogen der italienischen Stadt Amalfi findet sich eine aus einer Chronik stammende Inschrift, die ihre Bedeutung im Mittelalter preist: „Diese Stadt ist offenbar sehr mächtig und bevölkerungsreich. Keine andere ist an Silber, an Stoffen, an Gold aus zahlreichen Gegenden reicher als sie …“ In der Tat war die am Golf von Salerno gelegene heutige Kleinstadt einst eine bedeutende Seerepublik, die sich nicht nur durch ausgedehnten Handel mit der muslimischen Welt oder Byzanz, sondern auch durch eine trotz des schwierigen Naturraums profitable Landwirtschaft und ein florierendes Gewerbe auszeichnete.
Wie Amalfi dies gelang und wie modern vieles anmutet, was die dortige Gesellschaft seit dem Frühmittelalter ausbildete, das beschreibt der Historiker John Morrissey in seinem lesenswerten Buch. So minimierte etwa das genossenschaftliche Modell der „colonna“, das jedem Bürger offenstand, das finanzielle Risiko des Seehandels, Bauern konnte durch ein innovatives Pachtsystem der soziale Aufstieg gelingen, und Frauen tauchten des Öfteren als Investorinnen und Gewerbetreibende auf.
Rezension: Dr. Heike Talkenberger
John Morrissey
Amalfi – Moderne im Mittelalter
Mandelbaum Verlag, Wien 2020, 272 Seiten, € 22,–