Die Hugenotten – französische Protestanten – erlebten in ihrem Heimatland seit dem 16. Jahrhundert zuweilen Akzeptanz, zumeist jedoch Repression bis hin zu ihrer Vertreibung. Bekannt ist, dass Friedrich Wilhelm von Brandenburg-Preußen, selbst im Gegensatz zu seinen lutherischen Landeskindern Calvinist, 20 000 dieser Glaubensflüchtlinge in Preußen aufnahm, mit den zumeist gut ausgebildeten Zuwanderern die von Krieg und Seuchen entvölkerten Landstriche „peuplierte“ und so die Wirtschaftskraft seines Landes hob.
Der Journalist Jochen Thies, selbst Abkömmling von Hugenotten, ist seiner Familiengeschichte nachgegangen, die sich ebenfalls in diesem Kontext situieren lässt. Alles begann am Pas de Calais, im kleinen Ort Marck-en-Calaisis; hier wurde der Vorfahr Matthieu Tisse 1625 geboren. Nach der Aufhebung des Edikts von Nantes, in dem der französische König Heinrich IV. den Hugenotten freie Religionsausübung garantiert hatte, musste die Familie 1685 unter Zurücklassung ihrer Habe fliehen. Zunächst ließ sie sich nahe dem vorpommerschen Pasewalk nieder; vor allem im Tabakanbau reüssierten sie hier. Thies verfolgt die weiteren Stationen der Familie, die ihn nach Ostpreußen und schließlich nach Berlin führen. Immer wieder blickt der Autor dabei auf das deutsch-französische Verhältnis in seinen Wechselfällen und verortet sich selbst und seine Familie darin.
Rezension: Dr. Heike Talkenberger
Jochen Thies
Die Reise, die 300 Jahre dauerte
Schicksalswege einer deutschen Hugenotten-Familie
be.bra verlag, Berlin-Brandenburg 2021, 191 Seiten, € 22,–