Felix Schlayer, geboren 1873 und aufgewachsen in Reutlingen, wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit dem Verkauf landwirtschaftlicher Maschinen in Spanien zum erfolgreichen Unternehmer. Zäsuren in seinem Leben waren der Erste Weltkrieg und der Spanische Bürgerkrieg, in denen er sich militärisch und diplomatisch engagierte. Gegen Ende der 1930er Jahre begann Felix Schlayer, seine Memoiren niederzuschreiben, deren ursprüngliche Fassung heute verloren ist. Sein Enkel Alexander Felix Schlayer hat die von Ellie Mazack nach Schlayers Tod verfasste Abschrift der Autobiographie noch einmal überarbeitet, neu geordnet und jetzt im Hohenheim Verlag herausgegeben.
Seine Kindheit am Fuß der Schwäbischen Alb schildert Schlayer als wahre Idylle. Der gesunden Luft verdankte er seine prächtige physische Entwicklung, der Großzügigkeit seines Vaters – der eine Lederfabrik besaß – herrliches Spielzeug, das dieser aus den Beständen des Stuttgarter Schlosses ersteigert hatte. Ein erster Schicksalsschlag war der frühe Tod des Vaters. Schlayer hätte später die Fabrik übernehmen sollen, wofür er zu diesem Zeitpunkt jedoch noch zu jung war. So ging er zuerst in die Lateinschule in Herrenberg, hätte dann gerne studiert, musste sich aber in eine Kaufmannslehre fügen. Das kurze Intermezzo als Angestellter bei BASF in Ludwigshafen wurde für ihn zum „Fiasko“, da er „nur zum Vorgesetzten geboren war und nie zum Angestellten taugte“.
Die Episode seines Militärdienstes beschreibt Schlayer voller Enthusiasmus. Er macht keinen Hehl aus seiner Begeisterung für das Soldatenleben, die sich auch im Ersten Weltkrieg wieder äußern sollte. Insgesamt spart Schlayer nicht mit dem Lob seiner eigenen Persönlichkeit, die es ihm infolge „physischer Vorzüge“ sowie „schnellerer Auffassung“ und eines „zupackenden Charakters“ erlaubte, sich im Vergleich zu seinen Soldatenkameraden hervorzutun. Schlayer scheint später auch in geschäftlicher Hinsicht von seinem Wirken überzeugt: „Ich säte auf meinen Wegen Fortschritt und Aufklärung in allen landwirtschaftlichen Dingen, durch Anschauung und Predigt.“ Gleichzeitig bemüht er sich, die Entwicklung seines Selbstbewusstseins nachzuzeichnen und auch punktuelle Einbrüche klar darzustellen, etwa nach dem Ersten Weltkrieg, als er seinen wirtschaftlichen Misserfolg mit seiner eigenen „geistigen Verirrung“ begründet.
In der Tat kann man Schlayer als einen erfolgreichen Geschäftsmann bezeichnen, der sich in einem ihm bis dahin unbekannten Land eine respektable Stellung erarbeitet hat. Nach seiner Anfangszeit als Mitarbeiter im Geschäft eines Ludwigsburger Unternehmers, der Apparate für den Weinbau verkaufte, wurde er erst dessen Teilhaber mit einer eigenen Niederlassung in Madrid und übernahm schließlich im Jahr 1910 die gesamte Firma. Vom ersten Tag an beobachtete Schlayer die Bewohner des Landes und deren Kultur sehr genau. Insofern ist ein großer Teil seines Erfolges sicherlich darauf zurückzuführen, dass sich Schlayer mit seinem Unternehmen stets auf die Bedürfnisse und Eigenheiten der Spanier eingestellt hat: Er tritt als „beratender Freund“ auf, kritisiert aber gleichzeitig das „Steinzeitalter“, in dem sich die spanische Landwirtschaft und ihre „Höhlenbewohner“ immer noch befänden. Schlayers Ausführungen über Land und Leute sind sehr unterhaltsam und lockern den Text auf. Der Leser erfährt viel über die sonderbaren Ess- und Trinkgewohnheiten der Spanier um die Jahrhundertwende: Laut Schlayer tranken diese den gratis und „à discrétion“ zum Essen bereitgestellten Rotwein nicht aus Gläsern, sondern schütteten ihn direkt aus gläsernen „Buddeln“ in ihren Mund. Dabei stellt er anerkennend fest, dass sich die Spanier von den Deutschen in zweierlei Hinsicht unterschieden – sie seien so gut wie nie betrunken und würden sich auch keine „Schmerbäuche“ anfressen.
Nach dem Ersten Weltkrieg verlief Schlayers Leben nicht mehr so heiter und erfolgreich. Er stand dem Kaiser und seiner Regierung kritisch gegenüber und empfand eine tiefe Abneigung gegen den „preußischen Geist“. Den Preußen und ihrer „Überheblichkeit“ gab er die Schuld an „Deutschlands Verderben“ und grenzte sie damit von den Süddeutschen ab. Seit Mitte der 1920er Jahre musste Schlayer dem Verfall seiner Firma zusehen, der sich auch durch die von ihm entwickelte Dreschmaschine nicht aufhalten ließ. Nach einem kurzen Aufenthalt in Amerika – wo er wiederum interessante Erkenntnisse über die amerikanische Kultur zu Papier bringt – bekennt Schlayer: „Ich stand nun vor einem tragischen Abgrund.“ Während des spanischen Bürgerkriegs hatte er das Amt des norwegischen Konsuls inne. Da Schlayer diesen Lebensabschnitt in seinem 1937/38 veröffentlichten Buch „Diplomat im roten Madrid“ ausführlich geschildert hat, bleibt er in seinen Erinnerungen, mit deren Abfassung er um die selbe Zeit begann, ausgespart. Im Rückblick konstatiert Schlayer nur, dass sein „Abscheu gegenüber der Menschheit“ inzwischen für die damals vollbrachten heroischen Taten zu groß sei – die Bitterkeit, die aus seinen Worten spricht, ist greifbar. Dieser Sinneswandel bleibt dem Leser jedoch trotz vager Andeutungen unklar.
Die Persönlichkeit Felix Schlayers weckt im Leser keine ungetrübte Sympathie. Bei aller Bewunderung für sein Lebenswerk und die Verblüffung angesichts der schicksalhaften Wendungen in Schlayers Leben – von ihm selbst als „roter Faden“ tituliert – gibt es doch immer wieder Ausführungen, die zum Aufbegehren gegen die Selbstgefälligkeit des Memoirenautors reizen. Die Autobiographie bietet Einblicke in ein ungewöhnliches schwäbisches Leben, dessen private Seite leider nur am Rande zur Sprache kommt. Schlayers spanische Ehefrau spielt lediglich eine Nebenrolle, dagegen zeigt sich deutlich Schlayers Ziel, die Geschichte seines Erfolgs und seinen Anteil am historischen Geschehen zu schildern.
Rezension: Gnädinger, Constanze