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Dynamik eines Krisenjahrs

Peter Reichel

Dynamik eines Krisenjahrs

dam0123bue11.jpgPünktlich zum 100. Jubiläum hat das Jahr 1923 Hochkonjunktur. Gleich mehrere Bücher widmen sich dem vermeintlichen Schicksalsjahr der jungen Weimarer Republik. Dabei werden Linien von 1923 bis 1933 gezogen, die manchmal verwundern. Denn gerade der Fokus auf die Machtübernahme der Nationalsozialisten erschwert oft die Interpretation der Jahre zuvor.

Auch Peter Reichels Arbeit kann sich von einer nachträglichen Fehlersuche nicht befreien, wobei den handelnden Personen der Weimarer Republik mitunter mehr Weitsicht abverlangt wird, als sie hätten aufbringen können. Tatsächlich war das Jahr 1923 ein aufregendes, wie Reichel klar aufzeigt. Außenpolitische und innenpolitische Probleme kulminierten: Ruhrkampf, Separatismus, Umsturzversuche von links und rechts und Hyperinflation ließen kaum erwarten, dass Deutschlands neue Demokratie diese Vielzahl an Krisen überleben könnte.

Aufgeteilt in vier Abschnitte (Gefahren von außen, Gefahren von innen, Rettung der Republik?, Eberts Tod. Hindenburgs Wahl) zeigt Reichel, wie die Republik dieses schwierige Jahr knapp übersteht, dank, so argumentiert er, des geschickten Handelns von Reichspräsident Friedrich Ebert und General Hans von Seeckt. Politische Parteien kommen in dieser Darstellung nicht gut weg. Peter Reichel wirft ihnen fehlende Kompromissbereitschaft und einen problematischen innerparteilichen Blick vor, der nationale Interessen nicht beachtet. Auch an den Revolutionären in München, besonders an Kurt Eisner, übt Reichel strenge Kritik, sieht er doch in den politischen Extremen, die sich in München von 1918 bis 1923 abwechseln, eine Bedrohung für den Rest der
Republik, der wenig entgegengesetzt wurde.

Reichels Kritik ist nicht falsch, aber sie erklärt wenig. Auch wenn aus der Rückschau betrachtet vieles hätte anderes gemacht werden können, stellten sich 1923 andere Herausforderungen als 1930 oder 1932. Die politischen Akteure reagierten auf die Umstände, die sie vorfanden, und dazu zählte immer eine Kombination von nationalen und parteipolitischen Interessen. Die eingefügten Verweise auf die Endphase der Republik sind hier oft zu allgemein, um wirklich erhellend zu sein. Den Sozialdemokraten Kompromissunfähigkeit vorzuwerfen, weil sie 1923 Stresemann nicht weiter unterstützten, und dann zu folgern: „Als die SPD ihre ‚Dummheit‘ vom November 1923 im März 1930 wiederholte, beschleunigte sie durch die Preisgabe der parlamentarischen Demokratie die Selbstzerstörung Weimars“, gehört zu diesen Stellen, die mehr Erklärung brauchen, um nicht vereinfachend zu wirken. Dazu kommt eine andere Tendenz, die eher ältere Weimar-Forschung kennzeichnet und die die Verantwortung für das Scheitern der Demokratie bei ihren Befürwortern verordnet.

Reichels Studie ist ein gut lesbares Buch, welches die dramatische Dynamik dieses Krisenjahrs einfängt und in Erinnerung ruft. Der Interpretationsansatz, 1923 als das Paradebeispiel für die Leistungen sowie die späteren Probleme der Weimarer Republik zu sehen, geht nur bedingt auf, da die spezifischen Umstände, die sich gerade in den Weimarer Jahren so rasant änderten, nicht genug untersucht werden. Martin H. Geyer hat in seiner großartigen Arbeit über München von 1914 bis 1924 von einer „verkehrten Welt“ geschrieben, in der vieles ins Rutschen kommt und von Zeitgenossen neu betrachtet wurde. Das Jahr 1923 fällt eindeutig in diese Zeit der verkehrten Welt.

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Rezension: Dr. Nadine Rossol

Peter Reichel
Rettung der Republik?
Deutschland im Krisenjahr 1923
Hanser Verlag, München 2022, 288 Seiten, € 26,–

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