Ginette Kolinka erlebte als junge Frau als Gefangene den Alltag im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau. Sie überlebte das Grauen des Holocaust, aber ihre Geschichte behielt sie lange Zeit für sich. Rund 75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz hat die Französin nun ein Buch geschrieben, in dem sie ihre Erinnerungen festgehalten hat.
In dem Erinnerungsbericht kehrt Kolinka ins Jahr 1944 zurück, als sie gemeinsam mit ihrem Vater und ihrem Bruder von Avignon nach Auschwitz-Birkenau deportiert wurde. Mit nüchternen Worten beschreibt sie die unmenschlichen Bedingungen des Lagerlebens. Schonungslos schildert sie die endlosen Demütigungen, die Misshandlungen, den Hunger, die Kälte und die Allgegenwärtigkeit des Todes. Sie berichtet von ihrer Scham darüber, wie etwa die Frauen zum Toilettengang gezwungen wurden, die jedoch rasch einer gewissen Abgestumpftheit und dem bloßen Gedanken ans Überleben wich. Zuversicht gaben nur winzige Lichtblicke, etwa der Kontakt zur Mitinhaftierten Simone Veil, die ihr ein Kleid schenkte.
Kolinka hat einen beklemmend offenen Bericht geschrieben, in dem sie ihre dunkelsten Erinnerungen weitergibt. Auch wenn vieles bereits bekannt ist, wühlt der Text auf und drängt zur Auseinandersetzung mit der Thematik. Diese ist wichtig, gerade in Zeiten, in denen manche Menschen zu vergessen scheinen, zu welchen Abgründen die Menschheit fähig ist.
Rezension: Anna Joisten
Ginette Kolinka
Rückkehr nach Birkenau
Wie ich überlebt habe
Aufbau Verlag, Berlin 2020, 128 Seiten, € 18,–