„Im Haus meines Herrn gibt es viele Wohnungen“ (Johannes 14, 2), zitiert der Autor gleich zu Beginn dieses schönen Bandes den Evangelisten. In der Tat haben die Menschen, die seit der Spätantike der irdischen Welt entsagten, um in einer klösterlichen Gemeinschaft „die Vollkommenheit ihrer Seele zu suchen“, über die Jahrhunderte eine verwirrende Vielzahl an Ausformungen der vita religiosa hervorgebracht.
Mit der vorliegenden Ordensgeschichte erntet der Leser die Früchte aus Gert Melvilles umfassenden Forschungen auf dem Gebiet der Ordensgeschichte. Stets quellenbasiert und auf aktuellem Stand der Forschung, verfolgt der Autor die Geschichte der Orden und Klöster, ausgehend von den Ursprüngen der vita religiosa in der Wüste bis zum Beginn der Neuzeit. Neben den Strömungen benediktinischen Mönchtums und den Bettelorden nimmt das Werk dabei auch die Regularkanoniker und die neuartigen eremitischen Bewegungen des Hoch- und Spätmittelalters in den Blick, die in anderen Darstellungen seltener Beachtung finden.
Aber wie gestaltete sich das Leben des Einzelnen in der Gemeinschaft, und welche institutionellen Formen brachten die Orden hervor? Was waren die wirtschaftlichen Grundlagen der Klöster, die bei aller Weltflucht doch in Raum und Zeit verankert waren? Diesen und anderen Fragen nach den „Grundstrukturen der vita religiosa“ widmet sich schließlich ein eigenes umfassendes Kapitel.
Die Suche nach persönlicher Vollkommenheit und das Ringen um Wahrheit, so zeigt sich, führten zu immer neuen Klostergründungen, Reformen, Abspaltungen und Neuanfängen und machten die Klöster zu Keimstätten neuer Lebensentwürfe und kulturellem Fortschritt, zu „Innovationslaboren“, die wesentliche Grundlagen der Moderne schufen, so der Autor.
Gert Melville ist ein glänzend geschriebener Überblick über die Welt der mittelalterlichen Orden und Klöster gelungen. Die fundierte und durch mehrere Schwarz-Weiß-Abbildungen, Karten und Zeittafeln illustrierte Darstellung wird durch Anmerkungen und eine ausführliche Bibliographie ergänzt sowie durch mehrere Register erschlossen.
Rezension: Dr. Sabine Buttinger