Kenntnisreich und lebensnah liefert die Autorin in diesem lesenswerten Buch in einem weitgespannten thematischen Bogen eine detaillierte Darstellung des facettenreichen Phänomens der Kindheit in der Antike. Im Zentrum stehen die Verhältnisse in Athen und Rom, die herangezogenen Quellenzeugnisse – Texte, Bilder und Monumente – stammen aus der Zeit vom 8. Jahrhundert v. Chr. bis zum 5. Jahrhundert n. Chr. In geschicktem Arrangement präsentiert die Verfasserin teils erwartete, teils unerwartete Aspekte aus der Welt der Kinder, genauer gesagt: aus der Welt der Oberschichtskinder, denn an den Kindern der mittleren und unteren Schichten waren die Verfasser der Quellen in der Regel nicht interessiert.
Eher konventionell sind die Kapitel über Eheschließung, Geburt, Erziehung, Spiele und Spielzeug. Originell hingegen sind die Ausführungen darüber, wie sich die griechischen und römischen Produzenten von Mythen die Kindheit von Göttern (deutbar als Reflex realer sozialer Verhältnisse) vorstellten. Auch die angesichts des hohen Grades der Kindersterblichkeit in der Antike zahlreich vorhandenen Grabdenkmäler und Grabinschriften für Kinder werden einer genauen Betrachtung unterzogen.
Vor allem aber werden die „Gegenwelten“ nicht ausgeblendet, die Schattenseiten antiken Kindseins, wie die traurige Existenz von Kindern als hart arbeitende Sklaven oder auch als Objekte der Päderastie. Reich ausgestattet mit Bildmaterial, gewinnt das Buch zusätzlich an Anschaulichkeit durch die in den Text eingestreuten Kästen mit prägnanten Zitaten aus den antiken Quellen.
Mögen Stil und Sprache gelegentlich auch etwas umständlich wirken, und mag man sich ferner an den sowohl moralisierenden als auch etwas banalen Ausführungen im kurzen Schlusskapitel stören – insgesamt ist das Buch als eine anregende und instruktive Lektüre zu einem nur scheinbar peripheren Thema der antiken Sozialgeschichte unbedingt zu empfehlen.
Rezension: Sonnabend, Holger