Mutterliebe scheint etwas Natürliches zu sein, sich also der historischen Analyse zu entziehen. Doch sind die Gefühle und das Verhalten von Müttern ebenso wie die Erwartungen an sie durchaus sozial und kulturell geprägt, so auch im klassischen Athen.
Viktoria Räuchle hat schriftliche und viele bildliche Zeugnisse (Vasenbilder und Grabreliefs) analysiert, um zu beschreiben, was man unter Mutterliebe verstand und welche Verhaltens‧weisen eine gute Mutter damals zeigen sollte. Das heißt, es geht weniger um die konkrete Lebenswirklichkeit von Müttern, sondern um Idealvorstellungen.
Räuchle unterteilt ihre Studie in vier Abschnitte: Schwangerschaft und Geburt, die Rolle der Mutter in der Kleinkindpflege und als Erzieherin sowie ihr Verhältnis zu den erwachsenen Kindern. Eines der vielen spannenden Ergebnisse ist, dass Mütter fast immer ohne Körperkontakt zu ihren Kindern dargestellt werden. Vielleicht eine Aufforderung, emotionale Impulse zu mäßigen? Auch das Bild einer stillenden Mutter ist fast überhaupt nicht vertreten, denn eine entblößte Brust zu zeigen hätte gegen die Sittsamkeit verstoßen.
Rezension: Dr. Heike Talkenberger