Der Tempel von Knossos, dessen Rekonstruktion man heute auf Kreta bestaunen kann, repräsentiert paradigmatisch die mino-ische Kultur. Diese entstand um 2000 v. Chr. als erste Hochkultur auf europäischem Boden. Um sie ranken sich zahlreiche Mythen; schon ihr Name leitet sich von dem mythischen Gott Minos ab, von dem Homer erzählt.
Diamantis Panagiotopoulos, Professor für Archäologie an der Universität Heidelberg, stellt uns die bronzezeitliche Kultur der Minoer anschaulich vor. Da von dieser Bevölkerungsgruppe nur spärliche, bisher nicht entzifferbare Schriften auf uns gekommen sind, müssen die archäologischen Zeugnisse zum Sprechen gebracht werden. Der Autor lässt uns staunen über das Besondere der Minoer, wenn er Palastkultur, Bildmedien und Kunsthandwerk, Alltagsleben, Religion und Feste beschreibt und analysiert.
Gab es auf Kreta eine matriarchalische Kultur, wie oft behauptet wird? Der Autor ist vorsichtiger, erläutert aber, dass die Frauen der Minoer, anders als etwa die der Griechen, nachweislich eine wichtige Rolle in der Öffentlichkeit spielten. Zudem ist der minoische Götterhimmel einschließlich seiner höchsten Gottheit dominant weiblich.
Rezension: Dr. Heike Talkenberger
Diamantis Panagiotopoulos
Das minoische Kreta
Abriss einer bronzezeitlichen Inselkultur
W. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2021, 312 Seiten, € 24,–