Wie kaum ein anderes Bauwerk steht die südöstlich von Danzig gelegene Marienburg für die Wechselfälle der deutsch-polnischen Geschichte. Zunächst war sie steinernes Zeugnis des vom Kreuzzugsgedanken abgeleiteten Herrschaftsanspruchs des Deutschen Ordens im Osten. Im 14. Jahrhundert wurde die Festung zu einem Schloss ausgebaut, konnte das Gebäude doch so eher den repräsentativen Bedürfnissen des Ordens entsprechen.
1457 ging die Burg in polnischen Besitz über, seit 1772 gehörte sie wieder zum Königreich Preußen. Im 19. Jahrhundert zum deutschen Nationalsymbol schlechthin mutiert, wird die Burg heute als Stätte der deutsch-polnischen Versöhnung inszeniert. Diesen spannenden Metamorphosen des „Erinnerungsorts Marienburg“ geht ein Sammelband mit 14 Beiträgen nach. Deutsche und polnische Autoren sind an ihm beteiligt. Dabei liegt der Schwerpunkt auf dem 19. und 20. Jahrhundert. Die Rede ist etwa von den ambivalenten Eindrücken polnischer Marienburg-Besucher des 19. Jahrhunderts oder vom Bild der Burg in der deutschen Literatur, das immer stärker von antipolnischen Stereotypen bestimmt wurde.
Rezension: Dr. Heike Talkenberger