Zum 50jährigen Bestehen des österreichischen Staatsvertrages in diesem Jahr sind zahlreiche Publikationen erschienen. Noch immer, so der Zeithistoriker Manfried Rauchensteiner und der Neuzeit-Historiker Robert Kriechbaumer, gebe es keine abschließende Darstellung über die Entstehung des Staatsvertrags. Deshalb haben sie die neueren Forschungen zu diesem Thema in einem Sammelband herausgegeben. Im Titel „Die Gunst des Augenblicks“ nehmen sie den Faktor „Zeit“ als entscheidendes Kriterium für die Beurteilung historischer Zusammenhänge bereits programmatisch vorweg. Damit gelingt es, die Defizite und Leistungen des Staatsvertrages im politischen Kontext des Nachkriegsjahrzehnts zu relativieren.
Aus verschiedenen Blickwinkeln wird der österreichische Weg vom Kriegsende bis zum unabhängigen Staat im Jahr 1955 nachgezeichnet. Bestimmend waren hier die Besatzungsmächte, deren Funktion als Schutzmächte unumstritten bleibt, wenngleich ihre jeweiligen machtpolitischen Forderungen im “Kalten Krieg” für die Konstituierung eines freien Staates Österreich auch eine Zerreißprobe darstellten. Das österreichische Bestreben nach Neutralität wird dann als Schlüssel in den Verhandlungen der Alliierten um das weitere Schicksal des Landes bezeichnet. Die materiellen Leistungen an die Siegermächte waren ökonomisch von nachgeordneter Bedeutung, da die starke Einbindung in die westeuropäisch-liberale Entwicklung den Grundstein für den ökonomischen Erfolg des Landes legte.
Insgesamt wurde und wird die internationale Weichenstellung, die der Staatsvertrag bedeutete, begrüßt. Eine Ausnahme bildete dabei kurzfristig die Bundesrepublik Deutschland, die sich unter Adenauer vom österreichischen Weg distanzierte. Als ein Motiv galt die Befürchtung ähnlicher Forderungen an Deutschland. Schmerzhaft war, daß hier ein ohnehin schon ideologisch und finanziell strapaziertes Nachbarschaftsverhältnis weiter belastet wurde.
Weitere Literatur zu Österreich: Oliver Rathkolb, Die paradoxe Republik. Österreich 1945 bis 2005. Peter Zsolnay Verlag, Wien 2005, 460 Seiten, € 25,90
Rezension: Ziegler, Manuela