Das neue, wie immer schwungvoll geschriebene Buch des Renaissance-Experten Volker Reinhardt über die Pest möchte durch den Blick in die ferne Vergangenheit Denkanregungen für heute vermitteln. Es knüpft – wie schon manche vor ihm – an Parallelitäten zwischen Covid-19 und der Pest an, um dann auf die gravierenden Unterschiede zwischen beiden Pandemien einzugehen: allen voran die hohe Todesrate bei der Pest, der etwa ein Viertel der europäischen Bevölkerung zum Opfer fiel. Vor allem aber interessiert Reinhardt, wie die Menschen im Mittelalter auf die unbekannte, existentiell bedrohliche Krankheit reagierten, welche Bewältigungsstrategien und Ressourcen ihnen zur Verfügung standen und welche politischen, wirtschaftlichen, religiösen und sozialen Langzeitwirkungen das große Sterben zeitigte.
Nach einem ersten Überblick über Entstehung und Ausbreitung der Pest seit 1347 schildert er auf der Grundlage vieler eindrücklicher, aber auch kritisch kommentierter Quellen die unterschiedlichen Peststrategien in Florenz, Rom, Mailand, Venedig, Avignon, Paris und in deutschen Reichsstädten. Mailand stach mit seinem rigorosen Pestmanagement hervor, das ganz auf die zum Teil brutal durchgeführte Isolation der Infizierten setzte.
Und nach den ersten großen Wellen? War die Autorität von Ärzten und Kirche massiv untergraben, denn sie hatten nicht helfen können. Die Überlebenden aus der Unterschicht aber profitierten letztlich von dem gewaltigen Bevölkerungsschwund, denn Arbeitskraft war nun rar geworden und wurde deshalb besser entlohnt.
Rezension: Dr. Heike Talkenberger
Volker Reinhardt
Die Macht der Seuche
Wie die Große Pest die Welt veränderte. 1347–1353
Verlag C. H. Beck, München 2021, 256 Seiten, € 24,–