Das anmutige Bild eines jungen Mannes, der sich von einem Turm mit einem Kopfsprung ins Meer stürzt, entstanden um 480 v. Chr. und 1968 in einem Grab in Paestum gefunden, fasziniert seit seiner Entdeckung. Der Archäologe Tonio Hölscher hat dem „Taucher von Paestum“ ein erhellendes Buch gewidmet. Eingangs stellen sich viele Fragen: Zeigt das Bild eine alltägliche griechische Badeszene, oder hat es eher symbolischen Charakter? Und was für ein Zusammenhang besteht mit der Darstellung eines fröhlichen Symposions, das sich ebenfalls in der „Tomba del Tuffatore“ befindet?
Bisher wurde der „Taucher von Paestum“ zumeist als Symbol des Übergangs vom Leben in den Tod gedeutet, doch Hölscher verankert die Darstellung beherzt in der vitalen Lebenswelt der Griechen. Er stellt den Grabfund in den Kontext ähnlicher Bilder. Und: Auf der Insel Thasos sind auf einer Klippe bewundernde Worte für Jünglinge zu finden, die an diesem Ort tatsächlich
ins Meer sprangen. Davon ausgehend, enthüllt Hölscher Stück für Stück die Rolle der Jugend – auch der weiblichen – in der griechischen Gesellschaft, die Bedeutung des schönen Körpers, des Risikos und der Erotik. Der Taucher, so sein Resümee, steht für das Leben, nicht für den Tod. Eine lohnende Lektüre.
Rezension: Dr. Heike Talkenberger
Tonio Hölscher
Der Taucher von Paestum
Jugend, Eros und das Meer im antiken Griechenland
Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2021, 152 Seiten, € 35,–