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Der Irrweg in der russischen Geschichte

Martin Schulze Wessel

Der Irrweg in der russischen Geschichte

dam0923bue01.jpgRusslands Angriffskrieg gegen die Ukraine betont in blutiger Eindrücklichkeit die Gegenwart der Geschichte. In manipulativer Weise nutzt Putin historische Narrative als Waffen, um die eigene Bevölkerung hinter sich zu bringen und zugleich mit wilden Mythen sowie Desinformationen Einfluss auf die europäischen Öffentlichkeiten zu nehmen. Während der Kreml-Chef die russisch-sowjetische Geschichte auf ungeheuerliche Weise romantisiert und militarisiert, kommt es andernorts oftmals zu einer Dämonisierung, indem die vielfältige Geschichte Russlands auf Gewaltexzesse reduziert wird, an deren vorläufigem Ende der brutal geführte Krieg in der Ukraine steht.

Gegen die beiden falschen Sichtweisen hat der renommierte Münchner Osteuropa-Historiker Martin Schulze Wessel ein kluges Buch mit „mittlerer historischer Tiefe“ vorgelegt. Er thematisiert darin die komplizierte Dreierbeziehung Russlands, Polens und der Ukraine, bei der er Deutschland, Europa und später auch die USA systematisch einbezieht. In fünf chronologisch gegliederten Kapiteln beschreibt er sachkundig von 1700 an, als unter Peter dem Großen das russische Imperium nach schier endlosen Kriegen Gestalt annahm, bis in die heutige Zeit hinein die imperialen Verflechtungs- und nationalen Entflechtungsprozesse im östlichen Europa.

In seiner Darstellung deckt Schulze Wessel immer wieder relevante Analogien zwischen Vergangenheit und Gegenwart auf. Er zeigt, dass das imperiale Ausgreifen des Zarenreichs zunächst auf die Ukraine und sodann auf Polen für die europäische Mächtepolitik Pfadabhängigkeiten geschaffen hatte, die als strukturelles Erbe den weiteren Verlauf der Geschichte zwar nicht vorgegeben, ihn aber doch immer wieder bestimmt und so manchen imperialen Irrweg ermöglicht hätten.

Als in Polen und in der Ukraine seit 1830 erste Anzeichen von Nationalbewegungen zu erkennen waren, sah Russland darin eine veritable Bedrohung seiner imperialen Größe und ging mit aller Macht gegen diese Unruheherde vor. Der damals entstandenen Deutungen bedient sich Putin heute ungeniert, um die Ukraine als „Anti-Russland“ und Brückenkopf des Westens zu diffamieren und ihr jegliche Selbstbestimmung abzusprechen.

Die das Putin-Syndikat prägende Vorstellung, Russland besitze nur als mächtiges Imperium ein Existenzrecht, bezeichnet Schulze Wessel als Fluch, der Moskau zu einem kriegerischen Imperialismus Zuflucht suchen lasse und damit verhindere, dass Russland zu einem international geachteten „euro-asiatischen Kanada“ mit einer zukunftsfähigen Industrie, mit Rechtsstaatlichkeit und Demokratie sowie mit guten Autonomie-Lösungen für die nicht-russischen Ethnien werden könne.

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Indem im Buch die inneren Entwicklungen mit der Geschichte imperialer Außenpolitik sowie des nationalen Unabhängigkeitsstrebens umsichtig verschränkt werden, verdeutlicht es die Erklärungskraft der modernen Imperienforschung. Gut lesbar, vermittelt Schulze Wessel wichtiges Hintergrundwissen zum aktuellen Kriegsgeschehen. Seinem neusten Werk ist daher unbedingt eine große Leserschaft zu wünschen.

Rezension: Prof. Dr. Klaus Gestwa

Martin Schulze Wessel
Der Fluch des Imperiums
Die Ukraine, Polen und der Irrweg in der russischen Geschichte
Verlag C. H. Beck, München 2023, 352 Seiten, € 28,–

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