Die Zeitspanne zwischen der Reformation und dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs bezeichnet eine Phase intensiven Wandels in Europa. Der englische Historiker Mark Greengrass bietet in seiner bereits 2014 in Englisch und jetzt auf Deutsch erschienenen Studie nicht nur eine Darstellung dieser turbulenten Zeit, sondern wagt eine große These: Zwischen 1517 und 1648 habe eine große Transformation stattgefunden, bei der das Christentum als einigendes Band für die Europäer zerstört worden sei. Ersetzt worden sei es von einem Europa, das im Zeichen des Kolonialismus immer stärker von ökonomischem Denken, Herrschaft über fremde Völker und religiöser Selbstbestimmung geprägt gewesen sei.
Statt einer unumstößlichen kirchlichen Autorität habe es nun die individuellen Glaubensüberzeugungen von den Calvinisten bis zum Anglikanismus gegeben, die miteinander konkurrierten. Der Glaube habe sich aus der öffentlichen Sphäre in die private verlagert. Das sind weite Linien, und fraglich ist, ob mit dieser These die große Bedeutung der katholischen Kirche etwa in Italien oder Spanien noch bis weit ins 18. Jahrhundert hinein richtig getroffen ist.
Völlig unverständlich aber muss bleiben, dass bei einem Buch mit einem derartig weit gefächerten Themenpanorama und einer so großen geographischen Reichweite keine Anmerkungen zum Text vorliegen. Die Zuverlässigkeit der Schilderungen und die Stichhaltigkeit der Argumente des Autors können so kaum nachvollzogen werden.
Rezension: Dr. Heike Talkenberger
Mark Greengrass
Das verlorene Paradies
Europa 1517–1648
Konrad Theiss Verlag, Darmstadt 2018, 781 Seiten, € 39,95