Der Gedanke, dass der Mann, der maßgeblich an der Vorbereitung der „Endlösung der Judenfrage“ mitwirkte, gleichzeitig auch ein leidenschaftlicher Kunstsammler war, mag für manchen erst einmal befremdlich sein. Die Liebe zur Kunst scheint im krassen Gegensatz zu der Unmenschlichkeit der Verbrechen zu stehen, die im Namen des Nationalsozialismus begangen wurden. Doch Hermann Göring war für seine Sammelleidenschaft genauso berühmt wie berüchtigt, da er ohne Rücksicht auf die rechtmäßigen Eigentümer und die bestehenden Gesetze agierte. Eine detaillierte und ansprechend geschriebene Studie zu Görings Kunstraub, seinem Vorgehen und seinen Komplizen legt Hanns Christian Löhr mit seinem Buch „Der Eiserne Sammler. Die Kollektion Hermann Göring – Kunst und Korruption im »Dritten Reich«“ vor.
Der Titel des Werks ist allerdings etwas irreführend, da nicht die Kollektion Görings selbst, sondern ausschließlich deren krimineller Erwerb im Mittelpunkt der Untersuchung steht. Dabei kam den während des Zweiten Weltkriegs in den Niederlanden, Belgien und Frankreich operierenden Devisenschutzkommandos, die unter Görings Leitung für die Beschlagnahme ausländischen Vermögens zuständig waren, eine besondere Bedeutung zu. Über Freigabe oder Konfiszierung der dabei erbeuteten Kunstsammlungen entschied Göring selbst und bediente sich im Falle einer Beschlagnahme großzügig an den Kunstwerken. Die Gesamtzahl der so bis zum Ende des Kriegs von ihm gestohlenen Kunstwerke schätzt Löhr auf über 1700, von denen etwa 150 Stück seit 1945 als verloren gelten. Diese wurden von Löhr in einem Verlust-Katalog am Ende des Buchs zusammengestellt.
Rezension: Britta Weidner
