Jeder scheint ihn zu kennen: Der Olymp, höchster Berg Griechenlands und Sitz der antiken Götter, ist im kollektiven Gedächtnis fest verankert. Dabei blieb er als realer Ort lange unerforscht und wurde erst 1912 bestiegen. Der Archäologe Achim Lichtenberger hat eine aufschlussreiche Studie vorgelegt, in der er sowohl der Mythologie als auch der geographischen Wirklichkeit des Berges, seiner Idee und seiner politischen Vereinnahmung nachgeht.
So spielte der Olymp in der Kulturpolitik der makedonischen Könige eine wichtige Rolle: Die Stadt Dion (was Sitz des Zeus bedeutet), nordöstlich des Berges gelegen, wurde zur heiligen Stadt ausgebaut, und man richtete dort eigene olympische Spiele aus. Die Makedonier wollten sich so die Anerkennung als Griechen verschaffen. In weiteren Kapiteln zeigt Lichtenberger, wie die Idee des Göttersitzes räumlich losgelöst wurde und sich im ganzen Mittelmeerraum verbreitete. Eine ähnliche Loslösung des Heiligen von einem geographischen Ort lässt sich später auch bei Jerusalem beobachten, denn im Mittelalter finden sich vielerorts Nachbauten des Heiligen Grabes.
Rezension: Dr. Heike Talkenberger
Achim Lichtenberger
Der Olymp
Sitz der Götter zwischen Himmel und Erde
W. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2021, 217 Seiten, € 28,–