Heute ist es vor allem bei Kindergeburtstagen zu Gast, prangt rosafarben und mit großen Kulleraugen auf Dekorationsartikeln: das Einhorn. Wieso löst dieses Mischwesen so eine Faszination aus? Und wo kommt es her? Der Philologe Bernd Roling und die Literaturwissenschaftlerin Julia Weitbrecht haben sich auf die Suche gemacht und ein Buch geschrieben, das der Geschichte des Fabeltiers auf den Grund geht. Es ist eine lesenswerte Lektüre, die zahlreiche Einblicke in faszinierende Quellen gibt und zeigt, wie weit unsere Vorstellungen vom Einhorn zurückreichen.
Die Darstellung beginnt in der Antike, als das Einhorn zunächst von antiken Zoographen (die von der Existenz der Tiere überzeugt waren) nach den wissenschaftlichen Kriterien ihrer Zeit beschrieben wurde. Anschließend skizzieren die Autoren, wie die Menschen im Mittelalter diese Vorstellungen aufgriffen, das Einhorn aber zunehmend als christliches Symbol auslegten. Schließlich zeigt das Buch, wie das gehörnte Pferd in der höfischen Kultur des hohen Mittelalters Karriere machte. Und der Leser erfährt, wie Gelehrte im Lauf der Neuzeit herausfanden, dass es sich bei den ausgestellten „Einhörnern“ in den Wunderkammern der Fürsten tatsächlich um Stoßzähne des Narwals handelte.
Rezension: Dr. Anna Joisten
Bernd Roling/Julia Weitbrecht
Das Einhorn
Geschichte einer Faszination
Carl Hanser Verlag, München 2023, 176 Seiten, € 24,–