Der Titel des sehr ansprechend aufgemachten Buchs „Aufbruch ins Unbekannte“ entspricht nicht ganz dem Inhalt, doch sollte diese Diskrepanz den Leser nicht enttäuschen. Imre Josef Demhardt stellt in 17 Kapiteln bedeutende Forschungsreisende des 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts vor und zeigt gleichzeitig, wie deren Ergebnisse dazu beitrugen, die Genauigkeit kartographischer Darstellung zu verbessern.
Das Verschwinden weißer Flecken von den Landkarten ist das leitende Thema. Für den Nachweis der Fortschritte spielt daher die Visualisierung eine entscheidende Rolle. Mit den hervorragenden Kartenbeilagen, die die älteste deutsche Fachzeitschrift der Geographie, meist vereinfacht als „Petermanns Geographische Mitteilungen“ zitiert, über Jahrzehnte auszeichneten, stand dem Autor – neben anderen Karten – ein reiches Quellenmaterial zur Verfügung. Es hat sich wahrlich gelohnt, dieses aus den Archiven zu holen. Allerdings muss kritisch angemerkt werden, dass die heutige Drucktechnik offenbar nicht mehr in der Lage ist, die Schärfe von Karten und Beschriftung adäquat wiederzugeben.
Der Autor, durch zahlreiche kleine Arbeiten zu diesem Quellenmaterial ausgewiesen und derzeit Inhaber einer Professur für Geschichte der Geographie an der Universität Arlington (Texas), ordnet sein umfangreiches Material den Biographien der von ihm ausgewählten deutschsprachigen Forscher zu. Dabei wird dem langjährigen Herausgeber der genannten Zeitschrift August Petermann auch die Ehre eines eigenen Kapitels zuteil. Er war allerdings weniger als Reisender denn als Organisator und Netzwerker tätig, sorgte für die Publikation von Reiseeindrücken und Forschungsergebnissen und bemühte sich intensiv um die Finanzierung aufwendiger Unternehmungen.
Galt das Hauptaugenmerk der bedeutenden Reisen nach Alexander von Humboldts Südamerika-Reise zunächst vor allem Afrika (Heinrich Barth, Johann Krapf, Gerhard Rohlfs unter anderen), so fehlten später auch die Polargebiete (Julius von Payer, Carl Weyprecht, Erich von Drygalski, Alfred Wegener), Südamerika (Rudolf Philippi, Johann von Tschudi) und der Orient (Alfred Philippson), Zentralasien (Sven Hedin) und der Pazifik (Otto Finsch) nicht. Exkurse zur Methode der Geländeaufnahme und Gegenüber-stellungen von Karten unterschiedlichen Erkenntnisstandes verdeutlichen, wie die bis dahin unbekannten Zonen auf den Landkarten verzeichnet werden konnten.
Die Kriterien für die Auswahl der Entdecker werden nicht ganz deutlich und sind vermutlich durch das kartographische Quellenmaterial und die vielfach zitierten Vorarbeiten des Autors bedingt. Neben denjenigen, denen ein eigenes Kapitel gewidmet wurde, finden noch andere Reisende Erwähnung, die innerhalb der Kapitel exkursartig vorgestellt werden. Die Tatsache, dass die zahlreichen Exkurse mehr als den Umfang des fortlaufenden Textes einnehmen und diesen immer wieder unterbrechen, erschwert einerseits eine durchgängige Lektüre, ermöglicht es aber andererseits, zusätzliche Informationen und Kartenbeispiele einzubinden.
Rezension: Prof. Dr. Jörg Stadelbauer