Liebe, Hoffnung, Zorn, Fürsorge, Ekel, Angst, Mitgefühl – solche Gefühle kannten bereits die Menschen im antiken Griechenland. Sie stehen im Mittelpunkt des Buches von Angelos Chaniotis. Der in Princeton lehrende Althistoriker ist ein Experte für Emotionsgeschichte, ein Forschungsfeld, das sich jüngst in der Geschichtswissenschaft etabliert hat. In den vergangenen 15 Jahren beschäftigte sich Chaniotis intensiv mit der Rolle von Emotionen in der griechischen Antike. Das vorliegende Buch fasst zentrale Ergebnisse seiner Forschung zusammen.
Der Althistoriker interessiert sich dabei weniger für die Frage, was die alten Griechen eigentlich gefühlt haben, als vielmehr dafür, wie sie Gefühle instrumentalisierten, um ihre politischen, sozialen und religiösen Verhältnisse zu festigen. Als Quellen zieht er vor allem Inschriften heran, die zeigen, wie Staatsmänner, Priester und Mitglieder der Elite mit der Zurschaustellung von Emotionen ihre Ziele zu erreichen suchten. Das Buch bietet so eine neue Perspektive. Man erfährt, wie Ekelgefühle instrumentalisiert wurden, um von der Norm abweichendes Verhalten zu stigmatisieren, wie die Angst vor Göttern und Mächtigen hierarchische Verhältnisse zementierte oder wie Berichte über Liebe am Hof ein positives Bild der Monarchie propagierten.
Rezension: Dr. Anna Joisten
Angelos Chaniotis
Emotionen und Fiktionen
Gefühle in Politik, Gesellschaft und Religion der griechischen Antike
Verlag wbg Theiss, Darmstadt 2023, 224 Seiten, € 29,–