Antike Vasen sind nicht nur Objekte ästhetischer Bewunderung, sondern auch kulturhistorische Quellen ersten Ranges. Sie liefern wichtige Informationen, die weit über das hinausgehen können, was uns schriftliche Quellen mitteilen.
Frank Hildebrandt, Leiter der Antikensammlung am Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg, hat einen instruktiven Band vorlegt, der eine kompetente Einführung in die Bedeutung und Aussagekraft antiker Vasen und ihrer Bilderwelt bietet. Im Mittelpunkt steht zwischen dem 8. und dem 4. Jahrhundert v. Chr. in Athen hergestellte schwarz- und rotfigurige Keramik, die sich durch besondere künstlerische Qualität und thematische Bandbreite auszeichnet. Grundlage sind die Exponate aus der Sammlung des 2011 verstorbenen Bremer Sammlers Manfred Zimmermann, die heute im Antikenmuseum im Schnoor in Bremen zugänglich sind.
Der Bedarf der antiken Griechen an Vasen war immens, Töpfer und Vasenmaler hatten zu allen Zeiten Hochkonjunktur. Grobkeramik diente als Kochgeschirr, zur Lagerung sowie zu Transport und Handel. Feinkeramik fand Verwendung bei Symposien und religiösen Ritualen, ferner als Votivgabe, Grabbeigabe oder Behältnis für Wein, Wasser, Öl und Parfüm. Produziert wurde in Athen für den einheimischen Markt, doch waren Vasen auch ein begehrter Exportartikel: Attische Keramik findet sich in einem Radius von den Donauländern bis nach Äthiopien. Dabei passten sich die Hersteller auch gerne den Wünschen der Kunden an, etwa, wenn auf Vasen, die in die Schwarzmeer-Region geliefert wurden, dort verortete mythische Motive wie Amazonen oder Greifen dominieren.
Der Autor behandelt in seinem Buch alle relevanten Aspekte: Techniken der Herstellung finden ebenso Beachtung wie, soweit bekannt, die Persönlichkeiten der Töpfer und Vasenmaler. Die Bildmotive werden unterschieden nach Göttinnen und Göttern, Heroen (mit den mythischen Favoriten Herakles und Theseus), Darstellungen des täglichen Lebens und einer etwas bemüht „Rausch, Ekstase, Sinnlichkeit und Sex“ betitelten Rubrik. Angemessen gewürdigt wird auch der jeweilige historische Kontext der Bilder. So tauchen beispielsweise Kinder und Frauen vor allem in der Zeit des Peloponnesischen Krieges als Motiv auf, als die demographische Kurve in Griechenland deutlich nach unten zeigte. Angenehm ist, dass der Autor bei der Interpretation der Bilder dort, wo es schwierig wird, auf dogmatische Aussagen verzichtet und Spielräume der Deutung offenlässt.
Der Einladung des mit 152 farbigen Abbildungen ausgestatteten Bandes, sich kenntnisreich von griechischen Vasen über griechische Kultur und Mentalität erzählen zu lassen, sollten viele Leser Folge leisten.
Rezension: Prof. Dr. Holger Sonnabend