Magister Galfridus [Gottfried/Geoffrey], Sohn des Arthur“ – dieser Name erscheint in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts in mehreren Urkunden im Umkreis von Oxford. Natürlich haben sich moderne Historiker gefragt, ob der Zusatz „Arturus“ nicht ein stolzer – oder scherzhaft-satirischer – Hinweis auf Geoffreys Held Arthur war, aber das ist sehr unwahrscheinlich. Geoffreys Vater hieß wirklich Arthur.
Wir wissen nicht sehr viel von diesem Magister Galfridus. Er wurde wohl um das Jahr 1100 geboren, absolvierte als Kleriker ein Studium, das er mit dem Grad eines Magisters abschloss, und wurde gegen Ende seines Lebens Bischof von St. Asaph. Das war ein armes kleines Bistum in Wales, das Geoffrey augenscheinlich so wenig attraktiv fand, dass er es nie betrat, sondern es vorzog, weiterhin in Oxford zu leben und dort als Historiker Geschichtswerke zu verfassen. Heute ist er unter dem Namen Geoffrey von Monmouth bekannt, weil er Verbindungen zu dem kleinen Priorat Monmouth im normannisch-walisischen Grenzgebiet hatte, vielleicht sogar dort als Sohn keltisch-walisischer Eltern geboren wurde. Den größten Teil seines Lebens verbrachte Geoffrey aber wohl in Oxford.
Monmouth und Oxford können für die beiden Welten stehen, die Geoffreys Werke inspirier-ten: Monmouth verweist auf die walisische Tradition, auf die keltischen Schriftquellen, die er kannte, aber mehr noch auf die mündlichen Überlieferungen, die Sagen und Fabeln, für die Wales berühmt war. Oxford dagegen brachte die Nähe zur geistigen und herrscherlichen Welt der Anglonormannen. Zwar entwickelte sich Oxford erst seit dem Ende des 12. Jahrhunderts zu einer attraktiven Universitätsstadt, aber schon zu Geoffreys Zeit beherbergte es mehrere geistliche Stiftungen, die mit ihren Bibliotheken und Schulen für ein intellektuelles Klima sorgten. Zudem lag es im Schnittpunkt mehrerer Fernstraßen. Das bedeutete rege Besucherströme mit Neuigkeiten aus allen normannischen Landen; und der nahe Königshof in Woodstock, wo die geistlichen und weltlichen Großen zu Synoden, Hofversammlungen und Gerichtstagen mit dem König zusammenkamen, gab immer wieder Gelegenheit, „große Politik“ unmittelbar zu erfahren.
Als Historiker wurde Geoffrey von Monmouth noch zu Lebzeiten eine überregionale, wenn auch umstrittene Berühmtheit. Dabei klingt der Titel seines Hauptwerks wenig spektakulär: „Die Geschichte der Könige Britanniens“. Es geht darin nicht um die zeitgenössischen Könige und ihre Vorfahren, sondern um Könige aus fernen Zeiten. Der Name „Britannien“ hatte keine primär geographische Bedeutung, sondern bezog sich vorwiegend auf eine bestimmte Phase in der Geschichte der Insel, deren Bewohner – heute werden sie dem keltischen Kulturkreis zugerechnet – man Briten nannte. Julius Caesar eroberte den Süden der Insel Britannien in den Jahren 55 und 54 v. Chr., später wurde sie offiziell Provinz des Römischen Reiches.
Wie in anderen Teilen des römischen Imperiums brachten Einfälle fremder Völkerschaften – heute werden sie unter dem Namen Völkerwanderung zusammengefasst – auch für die Provinz Britannien das Ende der römischen Herrschaft. Um 410 hörte die Bestellung der Magistrate durch die kaiserliche Regierung auf, wenig später begannen die Römer, ihre Truppen von der Insel abzuziehen, um sie zum Schutz ihrer Grenzen auf dem Kontinent einzusetzen. Die Briten überließen sie notgedrungen ihrem Schicksal. Einheimische Anführer versuchten, die militärische Abwehr gegen die Angreifer zu organisieren. Diese kamen bald von allen Seiten, wobei letztlich Kriegerhaufen, die mit Schiffen von den Nordseeküstengebieten nach Britannien übersetzten, am erfolgreichsten waren: die Angeln und Sachsen. Die Angreifer besiegelten schließlich das Schicksal der Briten und ihrer Heerführer. Viele Briten flohen in den Westen der Insel, die heutigen Grafschaften Cornwall, Wales und Strathclyde, andere fanden Zuflucht jenseits des Meeres in der Bretagne. Nach Kämpfen, die sich mehr als ein Jahrhundert hinzogen, war aus Britannia, dem Land der Briten, Englalond, das Land der Angeln, geworden…
Literatur: Literatur König Artus und seine Tafelrunde. Europäische Dichtung des Mittelalters. Stuttgart 1999 (deutsche Übersetzung von Geoffrey von Monmouth, Wace und vielen anderen Artus-Epen).
Alexander Ostmann, Die Bedeutung der Arthurtradition für die englische Gesellschaft des 12. und 13. Jahrhunderts. Berlin 1975.
Stephen Knight, Arthurian Literature and Society. London 1983.
Prof. Dr. Hanna Vollrath