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Von räuberischen Rotten, Affen und Pfaffen

Martin Luther, Thomas Müntzer und der Bauernkrieg

Von räuberischen Rotten, Affen und Pfaffen
Unterschiedlicher hätten die Reformatoren Martin Luther und Thomas Müntzer kaum auf die Revolte des gemeinen Mannes reagieren können: Für Luther stellte der Aufruhr eine Gefahr für die „gute Ordnung Gottes und der Menschen“ dar; Müntzer sah in den aufständischen Bauern die Vorkämpfer für das künftige Reich Christi.

… Einer der Anführer des thüringischen Aufstands war Thomas Müntzer. Die Geschichtsschreibung der DDR hat ihn zum Sozialrevolutionär, zu einer der Triebkräfte der „Frühbürgerlichen Revolution“ stilisiert. Sein Konterfei schaffte es sogar auf den Fünf-Mark-Schein. Und so bezahlte man im atheistischen Staat mit einer Banknote, auf der ein frommer Theologe abgebildet war. Denn nicht die Sozialanalyse war es, die Müntzer in seinen Kampf getrieben hatte, sondern eine eigenartige Verbindung aus mystischem und endzeitlichem Denken. Gott wirkte in den Glaubenden – und er bediente sich ihrer, um seinen Geschichtsplan zu verwirklichen, wie man ihn in der Abfolge der Weltreiche im Alten Testament (Buch Daniel 2) nachvollziehen konnte. Das war das große Thema der Predigt, die Müntzer am 13. Juli 1524 in Allstedt hielt. Müntzer wetterte gegen die Pfaffen, die nur Verwirrung stifteten, und hatte dabei die verweltlichten, reichen Klöster im Auge, in denen eine Veräußerlichung herrschte, die einem Mystiker ein Greuel sein musste. Gegen sie galt es zu kämpfen – doch die, die Müntzer dort zum Kampf aufforderte, waren eben nicht die Bauern, sondern Herzog und Prinz von Sachsen. Als „Fürstenpredigt“ ist die Ansprache in die Geschichtsbücher eingegangen, und genau das war sie.

In gewisser Weise ging es hier um die theologisch-kirchliche Vorherrschaft in Sachsen. Auch Luthers Obrigkeitsschrift war aus einer Art Fürstenpredigt hervorgegangen, die er 1522 ebenfalls vor Herzog Johann in Weimar gehalten hatte. Beide Predigten machen den Unterschied der beiden Reformatoren deutlich, noch ehe sie im Bauernkrieg aufeinanderprallten: Hier, bei Luther, die feine Unterscheidung der Regimente Gottes, die viel Freiraum für das weltliche Regiment schaffte, das nicht den Linien des Evangeliums folgen, sondern vor allem durch Strafe und Schwert die Sünde kontrollieren sollte. Dort, bei Müntzer, die unbedingte Überzeugung, dass Gott sein Reich heraufführen will. Müntzer knüpfte damit an die Verheißungen aus dem 20. Kapitel der Offenbarung des Johannes an, wonach es vor dem Einbruch der neuen Welt ein tausendjähriges Reich der Herrschaft Christi und seiner Heiligen auf Erden geben werde. Und er gehörte zu denen, die daraus folgerten, dass Gott auch immer wieder Menschen in seinen Dienst nahm, um ebendieses Reich herbeizukämpfen. Darin verbanden sich sein mystisches Erbe mit dem Vertrauen auf besonders von Christus Erwählte und seine Endzeiterwartung zu einer brisanten Mischung, einer Theologie, die Gewalt nicht nur duldete, sondern ge‧radezu forderte.

Doch die Fürsten wollten die Aufgabe nicht annehmen, die Müntzer ihnen im göttlichen Heilsplan zugedacht hatte – im Gegenteil. Müntzer erschien ihnen unheimlich, zumal es schon vor der berühmten Fürstenpredigt zu Gewaltexzessen gekommen war, die man mit seiner Predigt gegen „pfaffen unde affen“ verband. Im März war die zu einem Kloster gehörige Marienkapelle von Mallerbach im heutigen Sachsen-Anhalt in Flammen aufgegangen, und man ahnte, dass dies mit Müntzers Predigt zu tun hatte. So kam statt des Reichs Christi die Flucht aus Sachsen: Müntzer entzog sich dem anberaumten Verhör in Weimar und ging in die nahegelegene Reichsstadt Mühlhausen, die von nun an Zentrum seiner Predigt und Agitation wurde.

Doch auch hier hielt es Müntzer zunächst nicht lange: Noch im September 1524, wenige Wochen nach seiner Ankunft, wurde er wieder ausgewiesen – und nun kam es zu der folgenschweren Begegnung mit den Bauernunruhen im Südwesten. Auch wenn ihre oberdeutsch geprägten Überzeugungen Müntzer theologisch eher fernstanden, sah er doch in ihnen die geeigneten Vorkämpfer für das künftige Reich Christi. Von dieser Überzeugung beseelt, kehrte er im Februar nach Mühlhausen zurück. Wenige Wochen später war er Anführer eines bäuerlichen Haufens, über dem die Fahne von Müntzers „Ewigem Bund“ wehte: Verbum Domini manet in aeternum („Das Wort Gottes bleibet in Ewigkeit“). Die Siegesgewissheit im Vertrauen auf Gottes Hilfe war überwältigend: In der Schlacht von Frankenhausen predigte Müntzer noch am 15. Mai seinen Bauern, ungerührt von der Übermacht der ihn umzingelnden Feinde, dass Gott den Sieg bringen werde. Es war das Vertrauen auf ein Wirken Gottes wie in den alttestamentlichen Rettergestalten, die auch ein kleines Heer zum Erfolg geführt hatten, der Müntzer trug. Doch die Hoffnung wurde zunichte: Die Fürsten siegten, Müntzer wurde gefangen gesetzt und hingerichtet…

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Prof. Dr. Volker Leppin

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