Woran erinnern Sie sich besonders?
50 Sadats spektakulärer Besuch in Jerusalem
Krisen und Kriege waren (und sind) im Nahostkonflikt die Regel. So auch 1973: Um den Rückzug der Israelis aus den im Sechs-Tage-Krieg 1967 besetzten Gebieten zu erzwingen (darunter der Sinai-Halbinsel), überfällt Ägypten im Verein mit Syrien Israel (Jom-Kippur-Krieg). Doch nach anfänglichen arabischen Erfolgen siegt Israel, und der ägyptische Präsident Anwar el-Sadat ändert seine Strategie: Eine Friedensoffensive soll den Erfolg bringen. 1977 wird Menachem Begin der erste Ministerpräsident der politischen Rechten in Israel – und er lädt Sadat ein, Israel zu besuchen! Am 20. November 1977 spricht dieser vor dem israelischen Parlament, der Knesset. Ein historischer Moment: Erstmals erkennt ein arabischer Staatschef das Existenzrecht Israels an: „Sie wollen mit uns leben in diesem Teil der Welt. Ich erkläre Ihnen in aller Ernsthaftigkeit: Wir heißen Sie unter uns willkommen … heute sage ich Ihnen – und ich sage es der ganzen Welt –, dass wir mit Ihnen leben wollen in einem dauerhaften, gerechten Frieden.“
Die anderen arabischen Staaten lehnen die Initiative zwar vehement ab, doch führen von US-Präsident Jimmy Carter vermittelte Verhandlungen in Camp David im September 1978 zum ersten Friedensabkommen eines arabischen Staates mit Israel. Im selben Jahr erhalten Sadat und Begin den Friedensnobelpreis. Und bis März 1982 ziehen sich die israelischen Truppen vom Sinai zurück.
51 Die erste „EMMA“ Am 26. Januar 1977 erscheint in einer Auflage von 200 000 Exemplaren die erste „EMMA“. Bis heute gilt das von Alice Schwarzer gegründete Magazin als das Sprachrohr des deutschsprachigen Feminismus. Es hat sich dem Kampf für die „Sache der Frau“ und die vollständige Chancengleichheit der Geschlechter verschrieben. Dafür engagiert „EMMA“ sich auch in Kampagnen gegen die weibliche Beschneidung (1977), sexuellen Missbrauch (1978) oder Pornographie (seit 1987), aber auch für die Einführung der „Lesben-Ehe“ (1984) oder eine bessere Stellung von Putz- und Klofrauen (1991).
52 Affäre um Parteispenden „Pflege der politischen Landschaft“, so nennt Eberhard von Brauchitsch, was er in den 1970er Jahren für den Flick-Konzern betreibt. Etwa als der Konzern 1975 Aktien im Wert von 1,9 Milliarden Mark verkauft und im Bundeswirtschaftsministerium die Steuerbefreiung für „volkswirtschaftlich förderungswür‧dige Reinvestitionen“ beantragt – die die Minister Hans Friderichs und Otto Graf Lambsdorff, beide FDP, genehmigen.
Als die Steuerfahndung 1981 Bargeldzahlungen des Konzerns von mehr als 25 Millionen Mark an Politiker aller im Bundestag vertretenen Parteien – darunter Friderichs und Lambsdorff – entdeckt, liegt der Verdacht der Bestechung wie der Bestechlichkeit nahe. 1984 erfolgt die Anklage, 1987 werden Brauchitsch, Friderichs und Lambsdorff wegen Steuerhinterziehung bzw. Beihilfe zu einer Bewährungsstrafe bzw. zu Geldstrafen verurteilt; ein Versuch, politischen Einfluss zu erkaufen, wird nicht nachgewiesen.
Die Spendenaffäre beschädigt das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik; der Versuch einer Amnestie, den die christlich-liberale Regierung 1984 unternimmt, scheitert angesichts allgemeiner Empörung. Später verschärft man das Parteispendengesetz und die Meldepflicht der Abgeordneten über Nebeneinkünfte.
53 Norddeutschland versinkt im Schneechaos 29. November 1978, Katastrophenalarm im Kreis Schleswig-Flensburg. Hochwasser überschwemmt weite Gebiete. Es wird noch schlimmer: Ein extremer Wintereinbruch mit Eis und Schnee zerstört in kürzester Zeit Strom- und Telefonleitungen, legt den Straßen-, Schienen- und Flugverkehr lahm und schneidet viele Orte von der Außenwelt ab. Fünf Tage lang tobt ein Schneesturm mit Windstärke 10, die Temperaturen sinken bis auf minus 25 Grad. 30 000 Helfer sind im Einsatz.
Im Norden der DDR räumt die Nationale Volksarmee mit Panzern die Straßen. Auf Rügen tobt 78 Stunden lang ein Schneesturm, es bilden sich meterhohe betonharte Schneewehen. Eine Sturmflut verschärft die Lage. Die Insel Hiddensee muss zwei Wochen lang aus der Luft und per Pferdeschlitten über die gefrorene Ostsee versorgt werden. Kernkraftwerke stellen den Betrieb ein; in beiden deutschen Staaten sterben Menschen.
Am 14. Februar 1979 herrscht erneut Katastrophenalarm, wieder wegen eines massiven Wintereinbruchs, wieder trifft es besonders die Ostseeküste. Zwei Meter hohe Eiswände türmen sich vor Kiel und Flensburg auf. Schneestürme toben. Immer wieder bricht die Stromversorgung zusammen. Straßen sind unpassierbar. 40 Reisende werden in einer spektakulären Aktion per Hubschrauber und Seilwinde aus einem steckengebliebenen Zug gerettet. Diesmal greifen die Hilfsmaßnahmen aber schneller, das Chaos ist nach sechs Tagen überstanden. Der letzte Schnee schmilzt erst Ende Mai.
54 Jüngster Kanton der Schweiz Mit der Gründung des Kantons Jura am 1. Januar 1979 spaltet sich der Nordteil des Jura vom Kanton Bern ab, zu dem er seit 1815 gehört; der südliche (protestantische) Teil votiert bei Abstimmungen für Bern. Vorangegangen sind jahrzehntelange kulturelle und politische Spannungen zwischen den eher konservativen, überwiegend reformierten deutschsprachigen Bernern und den liberalen, vorwiegend katholischen französischsprachigen Bewohnern des Nordjura. In den 1960er und 1970er Jahren eskaliert der Konflikt, es kommt sogar zu Sprengstoffanschlägen. – Die „Jurafrage“ existiert heute noch: Der Kanton Jura und sezessionistische Gruppen im Südjura arbeiten auf eine „Wiedervereinigung“ hin.
55 Siegeszug der leichten Flaschen Sie sind leicht, stabil und verursachen geringe Transportkosten: Seit den 1990er Jahren verdrängen Getränkeflaschen aus Polyethylenterephthalat (PET) die Glasflaschen. 1990 bringt die Coca-Cola-Company als Erste PET-Flaschen auf den deutschen Markt. Heute haben PET-Flaschen (als Ein- wie als Mehrwegflasche) die Glasflasche vor allem bei kohlesäurehaltigen Getränken fast vollständig verdrängt.
56 Putschversuch in Spanien „Weder danke ich ab, noch gehe ich. Ihr müsst mich schon erschießen“, telegraphiert König Juan Carlos I. 1981 spanischen Militärs, die am Abend des 23. Februar in das Parlament eingedrungen sind und die Abgeordneten sowie die gesamte Regierung als Geiseln genommen haben. Zeitgleich besetzten Panzertruppen Valencia. Anführer der Putschisten ist Oberstleutnant Antonio Tejero von der Guardia Civil.
Bis heute sind die genauen Hintergründe des Putschversuchs und seine Drahtzieher ungeklärt. Sicher ist aber, dass das entschiedene Vorgehen des Königs in dieser „längsten Nacht“ der jüngeren spani‧schen Geschichte die junge Demokratie rettet. Die Putschisten lassen sich schließlich ohne Widerstand festnehmen.
57 Streit um Paragraphen Es geschieht fast unbemerkt: 1994 streicht der Deutsche Bundestag im Rahmen der Rechtsangleichung nach der Wiedervereinigung ersatzlos § 175 Strafgesetzbuch (StGB). Damit gilt in ganz Deutschland wie schon zuvor in der DDR und wie von europäischen Institutionen jahrelang gefordert Straffreiheit für homosexuelle Handlungen. Die Bundesrepublik hat sich damit lange schwergetan: In der Rechtsnachfolge des NS-Staats hat sie dessen harte Homosexuellen-Gesetzgebung übernommen, auch erste Reformen (1969, 1973) halten in bestimmten Altersgrenzen an der Strafbarkeit fest – 2002 beschließt der Bundestag die Rehabilitierung von NS-verfolgten Homosexuellen.
Sehr viel öffentlicher und emotionaler wird die Debatte um § 218 StGB: die Regelung zum Schwangerschaftsabbruch, geführt; wesentlichen Einfluss hat hier lange die ablehnende Haltung der Kirchen. In der DDR gilt seit 1972 die Fristenregelung, in der Bundesrepublik, wo Schwangerschaftsabbruch mit einer Freiheits- oder einer Geldstrafe bestraft wird, forciert die Frauenbewegung Anfang der 70er Jahre die Diskussion („Mein Bauch gehört mir“). Mit der Wiedervereinigung prallen das west- und das ostdeutsche Modell aufeinander, eine einheitliche Lösung wird erforderlich. Seit 1995 gilt: Neben dem Indika‧tionsmodell ist in den ersten zwölf Wochen auf Wunsch der Schwangeren nach vorheriger Beratung ein Abbruch straffrei möglich. Rechtswidrig bleibt der nicht medizinisch begründete Abbruch nach dieser Frist.
Eva Enzinger